20. Jahrestagung der IGÄM am 16. – 18. Juni 2022, Lindau im Bodensee: Entwicklungen und Trends in der Ästhetischen Chirurgie
Douglas Grosse sprach mit Prof.Dr.med. Werner Mang, dem Gründer und Leiter der Bodenseeklinik in Lindau, auf der Jubiläumsveranstaltung über positive und negative Entwicklungen in der ästhetischen Chirurgie.
KM: Sie haben in mehr als 40 Jahren Berufserfahrung viel erlebt und sind in Deutschland ein Pionier in verschiedenen Bereichen der Ästhetischen Chirurgie. Wie hat sich das Fach „Schönheitschirurgie“ von Ihren Anfängen bis heute verändert?
Prof. Mang: Während meines Amerikaaufenthaltes Anfang der 1980er Jahre lernte ich Arnold Klein kennen – den späteren Arzt von Michael Jackson. Er brachte mir das Faltenunterspritzen mit Kollagen bei, das ich 1983 erstmals in Deutschland anwandte. Damals wurde ich extrem von den Medien angegriffen. Mein erstes Facelift führte ich an Ingrid Steeger durch. Auch das war damals ein großes Tabuthema. 1987 gründete ich die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie und habe damit die Schönheitschirurgie aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Heute wird viel zu sehr polarisiert: Vernünftige Schönheitschirurgie ja, Schönheitswahn nein. Weit über die Hälfte unserer Operationen an der Bodenseeklinik ist rekonstruktive plastische Chirurgie, wobei ich seit über 35 Jahren Menschen helfe, die durch Unfall, Geburt oder Krankheit Probleme und Fehlbildungen an Kopf und Körper haben.
KM: Die sogenannten sozialen Medien haben die Kommunikation verändert und beeinflussen gerade die Jugend – nicht immer positiv. Wie ist da Ihre Sicht der Dinge?
Prof. Mang: Die Entwicklung der sogenannten Schönheitschirurgie, die Dank des Internets besorgniserregende Ausmaße angenommen hat, sehe ich sehr kritisch; wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen. Mark Zuckerberg hat mit Instagram und Facebook ein Monster erschaffen. Ich bin der Meinung, die ästhetisch-plastische Chirurgie sollte sich nicht einem Zeitgeist unterwerfen. Die „Influencer“, die Bilder verzerrter Gesichter, Botox und Filler ohne Ende sowie aufgespritzte Lippen online stellen; dazu auch noch mit Photoshop bearbeitet, gehören verboten. Sie verdienen Geld und richten dabei großen Schaden bei der Jugend an.
Auch gibt es viele unkritische „Schönheitschirurgen, die keine fundierte Ausbildung haben, jeden Trend mitmachen und dadurch viel Unheil anrichten.
KM: Welche Behandlungen werden in letzter Zeit vermehrt nachgefragt bzw. welche Trends sehen Sie?
Prof. Mang: Der Trend geht hin zu weniger ist mehr. Früher wurde das Facelift, mit großen Schnitten durchgeführt, was auch oft zu einem unnatürlichem Aussehen führte. Heute – Ich nenne es Minilift – wird ein Facelift mit drei kleinen Schnitten an den Ohren durchgeführt, mit dem man ein viel natürlicheres Ergebnis erhält – ohne Downtime. Jede OP, die mehr als zwei Stunden dauert, ist meines Erachtens, nicht indiziert und belastet die Patienten unnötig. Mein Credo: Gesundheit vor Schönheit!
Bei der Kryotherapie setzen wir das Originalgerät CoolsculptingÒ von Allergan ein. Es ist das beste Gerät auf dem Markt mit validierten Studiendaten und einem exzellenten Service. Eine Behandlung sollte aber nur von geschulten Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden und nicht vom Praxispersonal, um Behandlungsfehler zu vermeiden.
Für die den Ersatz „kleiner“ Facelifts setzen wir das neue Deepneedling System Morpheus 8 ein. Es ist eine Weiterentwicklung des klassischen Microneedling in Kombination mit Radiofrequenz. Es ist das erste Gerät auf dem Markt, welches die maximale Eindringtiefe einer Nadel hat. Die zwei Technologien “Microneedling” und Radiofrequenz werden durch dieses Verfahren ideal kombiniert und wir erhalten damit sehr gute Ergebnisse.
Für moderate Brustaugmentationen setzen wir seit Jahren auf die autologe Fetttransplantation, das auch als Lipofilling oder Lipotransfer bezeichnet wird. Gegenüber anderen Methoden gibt es keine Fremdkörperreaktionen und wir erzielen ein harmonisches Aussehen zusammen mit einem natürlichen Gefühl.
KM: Die Zahlen der Schönheitsbehandlungen steigen weiterhin. Wie sieht es denn bei den Männern aus? Welche OP’s werden am häufigsten durchgeführt?
Prof. Mang: Die jährlichen Umfragen der IGÄM unter den Mitgliedern in den letzten Jahren geben den Trend bei Männern wieder: 1999: 3-4%, 2010: 12% und bei der letzten Umfrage 2020 liegt der Anteil bei über 20%.
Der Schwerpunkt der Eingriffe liegt bei folgenden Indikationen: Schlupflider, Nasenkorrekturen, Trännensäcken und Fettabsaugung, aber auch Faltenunterspritzung wird von Männern gehäuft nachgefragt.
KM: Wie sieht Ihrer Meinung nach, die Zukunft der Ästhetischen Chirurgie aus?
Prof. Mang: In 30 bis 50 Jahren könnte es keine Schönheitschirurgen mehr geben. Die Entwicklungen bei DNS-Analysen, Gewebetransfer und der Genetik sind atemberaubend.
Möglicherweise wird in den nächsten Jahren das Alterungsgen entdeckt. Für Roboter sehe ich gegenüber anderen Fachrichtungen, keine Indikationen in der Plastischen Chirurgie.
Doch das Wichtigste, bis wir zu dem Punkt „Forever Young“ gelangen, ist eine gesunde Ernährung mit biologischen, regionalen Produkten. Zu diesem Thema habe ich gerade ein neues Buch mit dem Titel „Iss Dich schön!“ im Morino Verlag herausgegeben. Sehr wichtig sind auch viele Bewegung und natürlich eine positive Einstellung zum Leben.
Herr Professor Mang, vielen Dank für das Gespräch.