Übersichtsarbeit
Tanja von Braunmühl
Smartphone Apps für die Hautkrebs-Diagnose? – die Münchner Studie*
Smartphone apps for skincancer diagnosis - the munich stduy
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Keywords
melanoma, moles, skin cancer, Smartphone; apps
Schlüsselworte
Apps, Hautkrebs, Melanom, Muttermale, Smartphone
Summary
Various smartphone applications have been introduced in different areas of medicine and also in dermatology. But are they capable to differentiate moles from melanomas? At the Department of Dermatology, Ludwig-Maximilian University of Munich a prospective study was initiated on nearly 200 pigmented moles for the evaluation of accuracy in a special smartphone-app. The data was presented and discussed critically in a symposium at the International Summer Academy in Munich in July 2015.
Zusammenfassung
Diverse Smartphone-Applikationen halten Einzug in unterschiedliche Bereiche der Medizin, so auch in die Dermatologie. Aber sind sie wirklich geeignet, um Muttermale von schwarzem Hautkrebs zu unterscheiden? Im Rahmen einer prospektiven Untersuchung an fast 200 Pigmentmalen wurde an der Dermatologischen Universitätsklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München die Genauigkeit einer Smartphone-Applikation untersucht und die Anwendung der Applikationen im Rahmen eines Symposiums der International Summer Academy Munich July 2015 kritisch diskutiert.
*Bericht über das Symposium „Smartphone-Apps-Is it the future?“ im Rahmen der International Summer Academy (ISA) for Dermatology in Munich vom 28.-31. Juli 2015
Smartphone Apps in der Diagnostik von Hautkrebs
Nachdem Smartphone-Apps sich bereits in vielen Bereichen des täglichen Lebens etabliert haben, breiten sie sich aktuell immer mehr in zahlreichen Bereichen der Medizin aus. Das geht bereits so weit, dass einzelne Medizin-Apps bereits von Krankenkassen empfohlen und gezielt eingesetzt werden, wie zum Beispiel das Online-Coaching als Begleitbehandlung von Depressionen oder Stärkung der Sehkraft bei kindlicher Schwachsichtigkeit über ein digitales Schulungsprogramm.
Aber funktioniert das auch in der Beurteilung von Hautkrebs? Können Smartphone-Apps zuverlässig schwarzen Hautkrebs von gutartigen Muttermalen unterscheiden?
Diese Frage wird in den letzten Jahren von Experten äußerst kontrovers diskutiert. Es liegen bereits verschieden Studien zu diesem Thema vor, darunter eine große Untersuchung von Wolf et al. [1], in welcher 4 verschiedene kommerzielle Hautkrebs-Apps anhand der vorliegenden Archivbilder von Muttermalen und Melanomen nachträglich mit der klinischen Diagnose und dem endgültigen histologischen Befund verglichen wurden. In dieser Arbeit schnitten die verschiedenen Melanom-Apps sehr schlecht ab. Am besten und teuersten war noch die App, welche die Bilder durch einen Dermatologen beurteilen ließ. Diese Publikation ergänzen Kommentare und Fallberichte, die ebenfalls vor dem Einsatz von Smartphone-Apps in der Diagnostik von schwarzem Hautkrebs warnen und anschaulich Falschdiagnosen der Apps bei vorliegenden Melanomen darstellen [2]. Nichtsdestotrotz stehen diesen Berichten neuere Publikationen gegenüber, die die Akzeptanz der Community für den Einsatz von Smartphone-Apps zur Frühdiagnostik von Hautkrebs untersuchen [3, 4].
Und obwohl die Anwendung von Apps in der Diagnostik von Hautkrebs von vielen Experten äußerst kritisch gesehen wird, ist es eine Tatsache, dass diese Hautkrebs-Apps bereits intensiv von den Usern genutzt werden. Deshalb ist es an der Zeit, dass Smartphone-Apps zur Hautkrebs-Diagnostik in Zusammenarbeit mit Dermatologen wissenschaftlich untersucht und evaluiert werden und die Ergebnisse dieser Studien öffentlich gemacht werden.
„Münchner Studie“ zu Melanom-App
Aus diesem Grund haben wir an der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München im letzten Jahr eine prospektive Studie zur Untersuchung der Genauigkeit einer auf Fraktal-Analyse beruhenden Smartphone-Applikation für die Beurteilung von Pigmentmalen durchgeführt [5]. Im Rahmen dieser Studie wurden annährend 200 Pigmentläsionen untersucht, bei welchen aus medizinischen oder kosmetischen Gründen eine operative Entfernung geplant war. Dabei erfolgte stets zunächst die klinische Diagnose, dann die dermatoskopische Beurteilung unabhängig voneinander von zwei Dermatologen. Im nächsten Schritt wurde die ausgewählte Hautveränderung mit dem Smartphone fotografiert und die Melanom-Applikation angewendet. Der Algorithmus dieser Applikation gibt eine Risiko-Evaluation aus und bewertet die fotografierte Hautläsion im Vergleich mit der umgebenden gesunden Haut in 3 Risikostufen. Die grüne Bewertung bedeutet „low risk lesion“, die gelbe „medium risk lesion“ und die rote „high risk lesion“. Abb.1 zeigt exemplarisch einen dysplastischen Nävus, der mittels der Fraktal-Analyse der Applikation korrekterweise als „medium risk lesion“ bewertete wurde.
Nach Erhalt des histopathologischen Befundes der exzidierten Hautveränderung erfolgte der Vergleich und die Auswertung der Smartphone-Diagnose versus der Facharzt-Diagnose versus histopathologischem Befund, welcher den Goldstandard darstellte. Von den 195 eingeschlossenen pigmentierten Hautveränderungen waren histologisch bestätigt 40 maligne Melanome, 42 dysplastische Nävi und 113 gutartige Nävi.
Hautkrebs-App ist derzeit dem Dermatologen unterlegen
Die endgültige Auswertung der Studie ergab für die Diagnose eines Melanoms eine Sensitivität von 73 % für den Algorithmus der untersuchten Smartphone-Applikation versus 88 % für die Diagnose des Dermatologen. Die Spezifität lag für die App bei 83 % versus 97 % beim Dermatologen, wobei die beiden Dermatologen sich lediglich in einer Diagnose voneinander unterschieden und sonst zu gleichen Ergebnissen gelangten. Insgesamt zeigte sich eine Genauigkeit von 81 % für die App versus 93 % für den Dermatologen.
Entscheidend bei der Beurteilung von Melanom-Apps ist natürlich die Frage, ob Melanome als solche richtig erkannt werden. Diesbezüglich ist eine Genauigkeit von 100 % zu fordern, da ein Verkennen des schwarzen Hautkrebses und ein falsches Sicherheitsgefühl durch eine Fehlbeurteilung als gutartiges Muttermal für den User / Patienten fatal sein kann. Schaut man sich diesbezüglich noch einmal die Ergebnisse der Studie genauer an, finden sich bei der Smartphone-App 7 Melanome falsch-negativ bewertet. Von diesen 7 Melanomen waren 5 als „gelb-medium risk lesion“ eingestuft worden, wo der Beitext der App rät „make the doctor aware of this mole“. Zwei der sieben falsch diagnostizierten Melanome waren sehr frühe Melanome, sogenannte Melanome in situ, die auch klinisch nicht eindeutig klassifizierbar waren.
Bei den zwei vom Dermatologen nicht-erkannten Melanome handelte es sich in beiden Fällen um frühe Melanome in situ, wobei eines der beiden sogar in diesem Fall von der App richtig eingestuft wurde (Abb.2).
Verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation und erhöhtes Hautkrebs-Bewusstseins ist das Potential der Apps
Insgesamt zeigte sich die in der Münchner Studie untersuchte Smartphone-App in der derzeitigen Form der Diagnose durch den dermatologischen Facharzt unterlegen. Im Rahmen des Symposium zu Smartphone-Apps auf der ISA 2015 wurde deren Einsatz in der Diagnose von Hautkrebs kritisch diskutiert und Vor-und Nachteile angeführt. Das Hauptziel für die Anwendung von Smartphone-Apps in der Hautkrebs-Diagnostik sollte nicht darin liegen, den Facharzt zu ersetzten sondern vielmehr das Bewusstsein für Hautkrebs zu erhöhen. Großes Potential für die Apps liegt zum Beispiel in der Integration in das Hautkrebs-Screening, die dem Laien ermöglicht seine Muttermale zu kontrollieren und in regelmäßigen Kontakt mit seinem Arzt zu treten, der dann die richtige Empfehlung aussprechen kann. Die Kontrolle von in Zusammenarbeit mit dem Dermatologen ausgewählten Läsionen oder die sofortige Dokumentation von neuaufgetretenen Muttermalen durch den User selbst kann sehr hilfreich in der Früherkennung von Hautkrebs sein, insbesondere auch in Gebieten, wo eine flächendeckende Versorgung durch dermatologische Fachärzte nicht gewährleistet ist. Auch wenn die derzeitig vorhandenen Hautkrebs-Apps noch nicht ausreichend genau sind, ist es unerlässlich, dass Hautärzte sich mit der Digitalisierung in ihrem Fachgebiet beschäftigen, denn die Patienten tun dies bereits.
Korrespondenz-Adresse
PD Dr. med. Tanja von Braunmühl
Klinik für Dermatologie und Allergologie der
Ludwig-Maximilians-Universität München
und Städtisches Klinikum GmbH
Frauenlobstr. 9-11
80337 München
E-Mail: Tanja.vonBraunmuehl@med.uni-muenchen.de
Literatur
1. Wolf JA, Moreau JF, Akilov O et al. (2013) Diagnostic inaccuracy of smartphone applications for melanoma detection. JAMA 149: 422-426.
2. Robson Y, Blackford S, Roberts D (2012) Caution in melanoma risk analysis with smartphone application technology. BJD 167: 692-705.
3. Spinks J, Janda M, Soyer HP, Whitty JA (2015) Consumer preferences for teledermoscopy screening to detect melanoma early. J Telemed Telecare 0: 1-8
4. Kassianos AP, Emery JD, Murchie P, Walter FM (2015) Smartphone applications for melanoma detection by community, patient and generalist clinician users: a review. BJD 217: 1507-1518.
5. Maier T, Kulichova D, Schotten K, Rasch A, Ruzicka T, Berking C, Udrea A (2014) Accuracy of a smartphone application using fractal image analysis of pigmented moles compared to clinical diagnosis and histological result. JEADV 29: 663-667.