Behandlung von Haarausfall wird immer wichtiger
Interview der Kosmetischen Medizin mit NETZWERK-Ästhetik Mitglied Dr. Ingo Schugt (FA Dermatologie) aus Bochum
KM: Welchen Anteil innerhalb Ihres ästhetischen Angebots haben Haarbehandlungen in Ihrer Praxis?
I. Schugt: Haarbehandlungen haben in unserem Praxisportfolio einen großen Anteil. In diesem Rahmen möchte ich allerdings direkt festhalten, dass es sich in aller Regel um Haarausfälle im medizinischen Sinne handelt. Die Patienten haben einen hohen Leidensdruck und wenn man genau hinsieht, findet sich auch meist eine medizinische Ursache (Mangelkonstellationen, Medikamenteneinnahme, Stress-Ereignisse, etc.). Stuft man Haarerkrankungen aber doch in den großen Bereich der ästhetischen Problematik ein, so machen Sie in unserer Praxis – vielleicht eher untypischerweise – sicherlich circa 30-40 % des ästhetischen Patientenklientels aus. Davon führen ca. 90% der Patienten eine MESO-Therapie durch. Die meisten Patienten, denen ich die Therapie empfehle, können Wirkmechanismus (Nährstoffstubstitution unter Stimulation der Haare) und Ablauf der Behandlung nachvollziehen. Selbstredend können gelegentlich ganz praxisnah schlicht pekuniäre Gründe bestehen, die die Behandlung vereiteln. Leider übernehmen die gesetzlichen Kassen die Behandlung (noch) nicht.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Kollegen, auch überregional, häufig mit Haarpatienten überfordert sind.
KM: Auf welche Informationskanäle setzen Sie zur Kundengewinnung für Haarbehandlungen?
I. Schugt: Da wir seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig sind, machen wir mittlerweile kaum noch konkret Werbung, die Patienten finden uns. Was ich aber immer raten kann, ist eine vernünftige Internetpräsenz, sprich Homepage, anzulegen. Diese sollte klar strukturiert sein und auch im Google Ranking nicht erst auf Seite 10 zu finden sein. Da die meisten Patienten in der Regel aus einem umschriebenen Umkreis zu uns kommen, kann auch Information über die lokalen Medien (Stadtteil Zeitschriften, Stadtfeste) sinnvoll sein.
Wichtig ist, dass man in der „Web 2.0- Zeit“, schnell über Google gefunden wird. Auch ein Google my Business-Eintrag kann hilfreich sein. Dann wird man auch überregional wahrgenommen. So hatten wir schon Haarpatienten aus Berlin, Hamburg, aus Belgien und den Niederlanden.
KM: Wie motivieren Sie Ihre Patienten für längerfristige Behandlungen z.B. bei den Behandlungen gegen Haarausfall?
I.Schutt: Dies stellt in der Regel kein Problem dar, wenn man den Patienten im Rahmen einer ausführlichen Befundbesprechung erklärt, wie Haarwachstum bzw. Haartherapie funktioniert. Den meisten Patienten ist schon zu Anfang klar, dass unseriöse „Schnellschuss-Therapien“ kaum erfolgversprechend sind. Auch ist den Patienten der Wirkmechnismus recht leicht nahezubringen und daher eine topische Nährstoffsubstitution für den Laien nachvollziehbar. Wir gehen von einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 6-12 Monaten aus, auch häufig darüber hinaus. Wie und in welchem Umfang behandelt wird, hängt dabei von der Art des Ausfalls, individuellen Gegebenheiten und letztendlich auch vom Leidensdruck des Patienten ab.
KM: Welchen Stellenwert haben Patientenauswahl, Beratung und Aufklärung bei Ihnen?
I. Schugt: Jeder Patient ist anders, jeder Haarausfall ist anders. Meiner Erfahrung nach können die meisten Haarausfälle behandelt werden, allerdings muss man realistisch kommunizieren, was wirklich möglich ist und was nicht. Handelt es sich um einen veranlagten und womöglich fortgeschrittenen Haarausfall (Androgenetische Alopecie), kann man diesen möglicherweise verzögern, aufhalten meistens nicht. Den 65-jährigen Patienten mit seit 20 Jahren bestehender Glatze können wir daher i.d.R. nicht mehr helfen. Viele andere Alopecien gehen aber auf akute Ursachen zurück, diese sind dann oft auch besser behandelbar, sowohl was die Zeit als auch das Therapieergebnis angeht.
Über alle diese Faktoren muss man aufklären und realistische Behandlungsziele setzen. Schlussendlich ist es auch wichtig, den Patienten da abzuholen wo er steht. Oft haben die Patienten aus den Medien völlig falsche Erwartungen. Gelegentlich drängt sich der Vergleich zu Nagelpilzerkrankungen auf, bei denen meines Erachtens aufgrund unsachlicher Werbung in kürzester Zeit durch einfachste Therapien alles versprochen wird, realistisch dann aber nichts haltbar ist. In diesem Spannungsfeld bewegt man sich mitunter schon. Ähnliches gilt ja – leider – auch für die gesamte Ästhetik. Wie oben schon erwähnt: Es gibt viele gute Behandlungensschemata für die unterschiedlichsten Indikationen – man muss aber gelegentlich auf realistische Ziele „downgraden“.
KM: Was halten Sie für den Schlüssel zu Ihrem Erfolg?
I. Schugt: Drei Dinge: Beharrlichkeit in der Sache, Respekt und Ehrlichkeit beim Patienten sowie Freude an der Arbeit.
Herr Dr. Schugt, vielen Dank für das Interview.