Übersichtsarbeit
Hans-Jürgen Schubert
Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 – 1837)
Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 - 1837)
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Keywords
cosmetics, Johann Bartholomäus Trommsdorf, kallopistria, pharmacy
Schlüsselworte
Johann Bartholomäus Trommsdorff, Kallopistria, Kosmetik, Pharmazie
Summary
For the reason of the 250th birthday of Johann Bartholomäus Trommsdorff we remind of some achievements of the father of scientific pharmacy, the university teacher, pharmacist, author of „Kallopistria“, the first book about prescriptions of cosmetics, and universal scientist from Erfurt.
Zusammenfassung
Anlässlich des 250.Geburtstags von Johann Bartholomäus Trommsdorff wird an einige Leistungen des Vaters der wissenschaftlichen Pharmazie, den Apotheker, Hochschullehrer, Autor der „Kallopistria“, das erste Rezeptbuch für Kosmetika, und den Universalgelehrten aus Erfurt erinnert.
Der Vater der wissenschaftlichen Pharmazie aus Erfurt und Universalgelehrte von internationalem Rang feierte am 08. Mai 2020 seinen 250. Geburtstag.
Für uns Dermatologen – die es zu seiner Zeit noch nicht gab – für Apotheker, Drogisten, Ärzte und Chemiker schrieb und veröffentlichte er 1805 in der Henningsschen Buchhandlung zu Erfurt die „Kallopistria oder die Kunst der Toilette für die elegante Welt“. Der Untertitel lautet: “Eine Anleitung zur Verfertigung unschädlicher Parfüms und Schönheitsmittel, Pulver, Pommaden, Schminken, Pasten, aromatischen Bädern und allen hierher gehörigen Mittel, welche dazu dienen, die Schönheit zu erhöhen, zu erhalten, oder herzustellen.“ Das war völlig neu, wurden doch Anfang des 19. Jahrhunderts Kosmetika als Geheimmittel angepriesen und meist überteuert von Apothekern, Ärzten, Drogisten, Schrankdrogisten und fahrenden Händlern verkauft. Ihre Rezepturen wurden seit Jahrhunderten geheim gehalten. Es gab zwar ab etwa 1650 etliche Toilettenbüchlein in französischer und deutscher Sprache für Ärzte und den weiblichen Adel, aber keine so ausführlichen pharmazeutischen Anleitungen zur Herstellung von Duftstoffen, Schminken, Haarwuchsmitteln, Haarpomaden und Haarfärbemitteln sowie Zahn- und Mundpflegemitteln und anderen Schönheitsmitteln. Auch die Gerätschaften wurden von Trommsdorff beschrieben.
Kosmetik seit der Antike ein Bestandteil der Medizin
Kosmetik und Kosmetika werden sicher schon seit mehr als 5000 Jahren benutzt – nicht erst im alten Ägypten von Kleopatra. Kosmetik war seit der Antike ein Bestandteil der Medizin. Im Griechischen bedeutet „kosmeo“ „ich ordne, ich ziere oder ich schmücke“. Die Bezeichnung Kosmetik (cosmétique) verbreitete sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts in Frankreich und ersetzte die Bezeichnung décoration. Erst um 1850, d.h. fast ein halbes Jahrhundert nach Trommsdorffs Publikation, gelangte der Begriff „Kosmetik“ von Frankreich in den deutschen Sprachraum und ersetzte die Bezeichnung „Geheimmittel“, von denen es damals schon mehr als 3000 gab, durch die Bezeichnung „Kosmetika“ oder „cosmetica medicamenta“. Es war jedoch auch weiterhin von Schönheitsmitteln, Zierung, Mode-Arze- neyen und Schminck-Arzeneyen die Rede.
Die kosmetischen Geheimmittel wurden bis etwa 1908 nicht streng von den Arzneimitteln getrennt. Sie machten 20 – 30% der Apothekerumsätze aus. Heute ist ihr Anteil sicher ähnlich groß, wenn nicht größer, wenn man die Apothekenauslagen ansieht. Aber die Apotheker stellen sie nicht mehr her, sondern beziehen sie von meist großen pharmazeutisch-kosmetischen
Firmen. Trommsdorff stellte sie noch individuell selbst und ab 1797 semi-industriell in größeren Mengen her. In seinem Buch warnte er auch vor Quacksalberei und gesundheitsschädlichen Schminken, Pudern und Bleichmitteln auf der Basis von Blei und Quecksilber.
Erst über 50 Jahre nach der Kallopistria erschien 1864 die „Kosmetische Receptierkunst für Aerzte und Apotheker“ von G. Dachauer beim Verlag E. H. Gummi in München. Die Kallopistria war zu dieser Zeit durch etliche Auflagen in Erfurt, Wien und Mailand in Europa schon zum Bestseller geworden und wird auch heute noch (aus bibliophilen Gründen) gedruckt.
Die industrielle Produktion von Kosmetika begann um 1880 in kleinen Betrieben meist als Nebenerwerb. Das erste kosmetische Mittel, das durch eine umfangreiche Werbung einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat und zum Markenartikel des 20. Jahrhunderts wurde, war das seit 1893 von August Lingner produzierte Mundwasser Odol aus Dresden.
Erste Veröffentlichung mit 17 Jahren
Trommsdorff war Apotheker in der 3. Generation und stammt aus einer angesehenen Erfurter Familie. Als 17-Jähriger (1787) veröffentlichte er seine erste wissenschaftliche Arbeit „Chemische Untersuchung des sauren Salzes der roten Beeren des Sumach oder Gerberbaumes (Rhus coriaria Linn.) in Crells Chemischen Annalen, 1790 ein „Kurzes Handbuch der Apothekerkunst zum Gebrauch für Lernende“ bei Kaffke in Stettin. Weitere Studienergebnisse, unter anderem chemische Wasser- analysen bekannter Mineral- und Heilquellen in Franzensbad, Langensalza, Lauchstädt, Salzungen, Tennstedt und Dreienbrunnen in Erfurt, stellte er der „Churfürstlichen Mayntzschen Akademie nützlicher Wissenschaften“ zu Erfurt vor und wurde 1792 als 22-Jähriger als Ordentliches Mitglied aufgenommen.
1792 erschien auch sein „Systematisches Handbuch der Pharmacie für angehende Aerzte und Apotheker“ bei Kayser in Erfurt mit überarbeiteten Auflagen 1812, 1827 und 1831. Ab 1793 gab er die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Neues Journal der Pharmacie für Aerzte, Apotheker und Chemiker“ heraus. Bis zu seinem Lebensende war er mit über 500 wissenschaftlichen Pubikationen, 38 zum Teil mehrbändigen Büchern, 17 von ihm übersetzten Büchern, 7 Buchreihen und weiteren Zeitschriften einer der produktivsten Fachautoren seiner Zeit. Mit über 390 Experten im In- und Ausland stand er in wissenschaftlichem Briefwechsel.
1794 promovierte er in Erfurt zum Dr. phil., wurde 1795 zum Geheimen Hofrat ernannt und als Mitglied in die „Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina“ gewählt. Im gleichen Jahr übernahm er neben seiner Tätigkeit als Apotheker in seiner Apotheke „Zum Schwanen-Ring“ als a.o. Professor ohne Gehalt eine Vorlesungstätigkeit über Allgemeine Chemie, Pharmazeutische Chemie, Geschichte der Chemie, Mineralogie, Physik und Rezeptierkunst an der Medizinischen Fakultät der Alma mater Erfordiensis.
Ebenfalls 1795 eröffnete er in seinem Haus ein pharmazeutisches Institut, die „Chemisch-physikalisch-pharmaceutische Pensionsanstalt für Jünglinge“, in der mehr 300 angehende Apotheker, Chemiker und chemische Fabrikanten aus deutschen Ländern, Russland, Schweden, Norwegen und der Schweiz nach einem damals völlig neuen dualen System (Unterricht und praktische Ausbildung im Labor und der Apotheke) unterrichtet wurden. Zu seinen Schülern zählten der Mitentdecker des Anilins Otto Unverdorben (1806 – 1873) und Heinrich Emanuel Merck (1794 – 1855), der Gründer der pharmazeutischen Fabrik gleichen Namens. 1809 promovierte Trommsdorff In Erfurt zum Dr. med. und wurde 1811 zum ordentlichen Professor für Chemie an die Medizinische Fakultät der Universität Erfurt berufen. Berufungen an die Kaiserliche Chirurgische Akademie in St. Petersburg, an die Universitäten Dorpat, Warschau und Coimbra in Portugal schlug er aus. Auch ehrenamtlich war er vielseitig tätig. Das von ihm 1809 mitbegründete Erfurter Apothekerkränzchen war die Keimzelle der späteren Fachgesellschaft der Pharmazeuten, 1811 initiierte er eine Unterstützungskasse für arme Apotheker und Apothekergehilfen und 1827 den Erfurter Gewerbeverein und die Gothaer Lebensversicherung.
Vielfache Ehrungen national und international
Er wurde regional, national und international vielfach geehrt, u.a. mit dem Roten Adler- Orden und Ehrenmitgliedschaften in über 50 wissenschaftlichen Gesellschaften, wie der Universität Kasan, der Universität Pecz, der Kaiserlichen Chirurgischen Akademie St. Petersburg. Berufungen an diese Akademie in Russland, an die Universitäten Dorpat, Warschau und Coimbra in Portugal schlug er aus. Heute erinnern die Trommsdorfstraße, die Trommsdorff-Apotheke, die Schwan-Apotheke, ein bronzenes Porträt-Medaillon und eine Gedenktafel an der Hauptpost sowie sein Ehrenplatz im Gestühl des Rathausfestsaales an ihn.
Der Sohn von J.B. Trommsdorff, Christian Wilhelm Hermann Trommsdorff (1811 – 1884) übernahm die Apotheke in 4. Generation und verlegte die Produktion von Arzneimitteln, Alkaloiden und pharmazeutischen Grundstoffen aus seiner Apotheke ab 1837 in seine neue Chemischpharmazeutische Fabrik H. Trommsdorff im Apothekengebäude. Wegen der Enge dort am Anger 66 verlegte er sie 1841/42 in die Weißfrauengasse 3-4. Aus dieser Fabrik ging über verschiedene Etappen die heutige Trommsdorff GmbH & Co. KG in 52477 Alsdorf hervor. Eine Zweigniederlassung in Erfurt gab es von 1905 an.
Die Häuser, in denen die Trommsdorffs wohnten, stehen nicht mehr. Aber es gibt in Erfurt etliche Orte der Erinnerung, so eine Trommsdorffstraße, die Trommsdorff-Apotheke in der Geschwister-Scholl-Straße, die Schwan-Apotheke in der Bahnhofstraße sowie die eingangs erwähnte Gedenktafel und das Porträt-Medaillon an der Hauptpost, dort wo die Apotheke Zum Schwanen-Ring stand.
Am 08.03.1837 verstarb er an Grippe, wie vermutet wird. Die Stadt wollte ihn am 15. und 16. Mai 2020 mit einem wissenschaftlichen Symposium und einer Ausstellung im Stadtmuseum (15.05.20 – 28.02.21) ehren. Angesichts der Corona-Pandemie konnte dieses jedoch nicht stattfinden. Dann war es so, wie Trommsdorff es in Briefen vom 04.06. und 21.07.1832 an seinen Sohn Hermann während der Cholera-Pandemie von 1832 – 1841 beschrieben hat: der Handel sei zerstört, die Fabriken stehen still, außer Gotha seien alle Städte gesperrt und die Folgen schlimmer als die Cholera selbst.
Korrespondenz-Adresse
Prof. Dr. med. habil. Hans-Jürgen Schubert
Orionstraße 28
DE-99092 Erfurt
hans-juergen.schubert@arcor.de
Conflict of Interests
Es liegt kein Interessenkonflikt vor.
Literatur
1. Abe HR. Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 - 1837). Große Denker Erfurts und der Erfurter Universität. In: Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt, Leipzig 1971/72, Heft 16: 10 - 50.
2. Friedrich C. Das Privatinstitut von Johann Bartholomäus Trommsdorff als Beispiel für eine wissenschaftliche Schule im 18./19. Jahrhundert. In: Veröffentlichungen des Museums für Thüringer Volkskunde und Museums für Stadtgeschichte Erfurt, Sonderheft 1987: 34 - 54.
3. Markwardt F. J.B. Trommsdorffs pharmakologisch-toxikologische bedeutsame Arbeiten. In: Sonderheft 29 der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, 1996: 33 - 44.
4. Wunderlich P. Die Kallopistria des Johann Bartholomäus Trommsdorff. Beitrag zur Geschichte der Kosmetik. Ärztl. Kosmetologie. 1982. 12: 461 - 467.