Abhängigkeit des weiblichen Selbstwertgefühls von der Attraktivität der Brust

Aylin Yilmaz und Erich Kasten

 

Weibliche Brüste gelten als biologischer Stimulus, auf die das Sexualzentrum im Limbischen System des Mannes seit der Steinzeit geradezu automatisch reagiert. Um einen auffälligen Busen zu haben oder zumindest vorzutäuschen, gab es schon vor mehreren Tausend Jahren etliche legale und illegale Hilfsmittel. Fraglich bleibt, ob und in welchem Ausmaß schöne Brüste auch in unserer modernen, gleichberechtigten Zeit noch ausschlaggebend für das Selbstbewusstsein einer Frau sind? Unsere Studie beschäftigt sich mit der Abhängigkeit des weiblichen Selbstwertgefühls von der Attraktivität ihrer Brust.

 

 

Menschliche Frauen sind die einzigen Primaten, welche nicht nur zu den Zeiten der Schwangerschaft und der Stillphase Brüste haben, sondern dauerhaft. Zum Beispiel besteht bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, eine Remission der Brüste, wenn diese nicht mehr zum Stillen benötigt werden. Es gibt unterschiedliche Annahmen darüber, warum die Brust beim Homo sapiens so groß geworden ist. Theorien gehen davon aus, dass die bei Tieren gut sichtbare Vulva durch den aufrechten Gang beim Menschen verdeckt wurde und die Brüste daher zu einem neuen Sexualstimulus wurden und quasi das nicht mehr sichtbare Gesäß repräsentieren. Andere Forscher weisen darauf hin, dass unsereevolutionsbiologischen Vorfahren noch einenvorspringenden Kiefer hatten, wodurch sie auch an einer flachen Brust nuckeln und dabei gleichzeitig atmenkonnten. Das menschliche Gesicht hat sich in der Evolution verflacht und, damit Säuglinge nicht ersticken, musste dieweibliche Brust sich anpassen, daher, so glaubt man, entstand die Wölbung.

 

Die Brust ist das wesentlichste Symbol der Weiblichkeit

Auch wenn beide Theorien umstritten sind, bleibt es Fakt, dass die Brust der Frau seit den Urzeiten der Geschichte der Menschheit das wesentlichste Symbol der Weiblichkeit darstellt. In Zeiten als viele Nachkommen noch die Rentenversicherung der Steinzeitmenschen waren, wurde die Brust zum Symbol der Fruchtbarkeit einer Frau stilisiert. Mehr als jedes andere Körperteil der Frau sind Brüste im Verlauf der Evolution für Männer ein biologisch-bedingter Blickfang geworden, was von der Damenwelt durchaus manchmal schamlos ausgenutzt wird. Kommt ein Mann als Bettgenosse gar nicht in Frage, verdecken sie den Blick auf den Busen intuitiv durch Zusammenziehen der Oberbekleidung und tun so als wäre ihnen kühl. Wird der Herr dagegen als potenzieller Partner eingestuft, so beugt die Dame sich im Gespräch häufig nach vorne und erlaubt ihm tiefe Einblicke in ihr Dekolleté. Interessant ist, dass den meisten Frauen dieses Verhalten nicht wirklich bewusst ist, es wird vom Sexualzentrum im Limbischen System gesteuert, ein Hirnareal, da seine eigenen Entscheidungskriterien besitzt, die wir bei der Partnerwahl nicht wirklich bewusst steuern können. Ein leidiges Problem, das wohl jedem geläufig ist, der gelegentlich Single ist.

 

Moderne Medien schaffen eine neue Konkurrenzsituation zwischen Frauen

Modezeitschriften, Fernseh- und Filmindustrie, zunehmend vor allem aber auch die durch das Internet frei zugängliche Pornographie schaffen heute allerdings eine Konkurrenzsituation zwischen Frauen bezüglich ihres Busens, die es früher in diesem Ausmaß wahrscheinlich noch nicht gegeben hat. Durch die öffentliche Zugänglichkeit modernen Medien hat sich eine Vorstellung von der perfekten Brust herausgebildet und viele Frauen fühlen sich minderwertig, wenn sie diesem Idealbild nicht entsprechen. Die Brust ist hierbei eine Chimäre, zum einen Teil soll sie groß und gut sichtbar sein, zum anderen Teil aber fest und geradezu jungfräulich wirken. Wie bei der Attraktivitätsbeurteilung anderer Körperteile wird auch hier das Mittelmaß der jeweiligen Population als Optimum aufgefasst, d.h. es gibt eine umgekehrt u-förmige Beziehung zwischen der Attraktivitätseinstufung der Brust und ihrer Größe. Für klein-geratene Mammae existieren bekanntermaßen Möglichkeiten optischer Vergrößerung wie Push-UpBHs oder Silikonkissen im Bustier, für die vollere Oberweite flatterhaft weite Bekleidung oder Korsetts, die einen Teil der Übergröße wegzudrücken versuchen. Beide „Mogeleien“ werden spätestens beim ersten Sexualkontakt offensichtlich. Ästhetische Operationen sind die einzige Möglichkeit das Problem nicht nur optisch, sondern auch haptisch zu lösen; Brustverkleinerungen und -vergrößerungen liegen weltweit innerhalb der ersten 5 häufigsten Operationsmethoden der ästhetischen Chirurgie bei Frauen.

 

Ein großer Teil der wissenschaftlichen Studien beschäftigt sich mit der Einstufung der Attraktivität des weiblichen Busens durch Männer. Immer wieder kommen diese Arbeiten zu dem Schluss, dass Männer große (aber nicht übergroße) Brüste bevorzugen. In eigenen Untersuchungen an der MSH in Hamburg konnten wir zeigen, dass dieses Ergebnis zu grob gefasst ist, es basiert auf Mittelwerten, in denen individuelle Präferenzen nicht berücksichtigt wurden. Unsere Ergebnisse wiesen z.B. nach, dass zunehmend mehr Männer eher kleine Brüste bei ihren Partnerinnen als erotisch einstufen. Die Annahme von Frauen, unbedingt eine große Brust haben zu müssen, trifft also zumindest in Hinblick auf die Einstufung durch Männer nicht immer ins Schwarze. Dennoch leiden viele Frauen regelrecht unter ihren als zu groß oder zu klein empfundenen Mammae.

Abb. 1–3: Selbstwertgefühl, selbsteingestufte Attraktivität und sexuelle Zufriedenheit in Abhängigkeit von kleiner, mittlerer und großer Brust.

In der inzwischen recht betagten Arbeit aus dem Jahr 1982 „Erwartungen von reduktionsplastischen Operationen an der weiblichen Brust“ von Wenderlein und Hoffmann wurde bei 83 Frauen eine Brustverkleinerung vollzogen, rund 60% der Frauen gaben an, dass sie nach der Operation mehr Selbstwertgefühl hatten und 40%  berichteten, dass sie sich attraktiver fühlten.Unsere im Folgenden kurz dargestellte Studie knüpfte hier an und hat untersucht, ob und in welchem Ausmaß der weibliche Busen mit dem Selbstwertgefühl von Frauen auch heute noch zusammenhängt? Die Brustgröße wurde anhand der Körbchengröße des BHs eingestuft, der europäische Durchschnitt liegt bei Cup-Größe C; Brustgrößen mit den Werten im Bereich A- und B-Cup wurden als „klein“ definiert und alles über C-Cup als „groß“. Um Alterseffekte auszuschließen, wurden nur Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren aufgenommen, die Teilnehmerinnen durften weder schwanger sein, noch Kinder haben. Aufgrund interkulturell unterschiedlicher Einstellungen zur Attraktivität des weiblichen Körpers wurden nur deutsche Frauen befragt. Gestellt wurden zunächst persönliche Fragen (Alter, Schulabschluss, ethnische Herkunft, Berufstätigkeit und Körbchengröße). Benutzt wurden dann Items aus dem standardisierten „Fragebogen zum Selbstwertgefühl“(Rosenberg Self-EsteemScaleSES von Wallner) mit Fragen wie z.B.: „Ich fühle mich von Zeit zu Zeit richtig nutzlos“; mit Antwortmöglichkeiten auf einer vierstufigen Skala von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“. Darüber hinaus kam ein selbstkonzipierter Fragebogen zum Einsatz mit Items, welche die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper und dem damit in Verbindung stehenden Selbstwertgefühl untersuchte, sowie den Zusammenhang zwischen Größe und subjektiv empfundener erotischer Ausstrahlung der Brust, sowie der sexuellen Zufriedenheit. Die Items wurden über bipolare 4-stufige Likert-Skalen erfragt, z.B.: „Ich bin mit meinem Sexualleben zufrieden“; „Ich finde mich attraktiv“; „Ich finde meine Brüste attraktiv“.

 

Die Ergebnisse unserer Studie

Die Annahme, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Brustgröße und dem Selbstwertgefühl einer Frau gibt, erwies sich in dieser Einfachheit als zu simpel, es existierte absolut gar keine signifikante Korrelation (r=-0.08). Interessanterweise erzielten Frauen mit kleinen Brüsten hier im Mittel allerdings den höchsten Wert (s. obere Abb. 1), d.h. sie hatten ein besseres Selbstwertgefühl. Hinsichtlich der Bewertung der Attraktivität der eigenen Brust auf der o.g. vierstufigen Likert-Skala schnitten allerdings Frauen mit großen Brüsten dann am besten ab (s. mittlere Abb 2.). Unklar war das Ergebnis hinsichtlich der sexuellen Zufriedenheit, bei dem Frauen mit mittelgroßen Brüsten auf der oben beschrieben Skala etwas schwächer abschnitten als die anderen beiden Gruppen (s. untere Abb. 3).

 

Kritisch zu bewerten ist, dass in unserer Studie hierfür nur die reine Größe berücksichtigt wurde, letztlich müssten auch die Form, Symmetrie und Beschaffenheit der Brust in die Analyse mit einfließen. Insgesamt lässt sich dennoch feststellen, was im Grunde genommen auch nicht anders zu erwarten war, dass die Brustgröße allein, das Selbstwertgefühl heute nicht mehr ausmacht. Obwohl sie wahrscheinlich für Frauen auch in Zeiten der Gleichberechtigung einen durchaus wichtigen Faktor in einem multidimensionalen Gefüge darstellt, existiert hier kein direkter korrelativer Zusammenhang. Entsprechend der Modewelle schlanker Frauen mit kleinen Brüsten hatte die Gruppe, die diesem Ideal entsprach, sogar ein etwas besseres Selbstwertgefühl, allerdings ohne signifikanten Unterschied. Dennoch stuften Frauen mit den höheren Körbchengrößen ihre Brüste als attraktiver ein als die anderen Gruppen. Hinsichtlich sexueller Zufriedenheit wurden gleichfalls keine bedeutsamen Differenzen gefunden.

 

Letztlich weist die Studie nach, dass das Selbstbewusstsein von Frauen heute nicht — oder nicht mehr — von der Größe ihres Busens abhängt.

 

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Erich Kasten
Neurowissenschaften, Medical School Hamburg
Am Kaiserkai 1
20457 Hamburg
EriKasten(at)aol.com
www.erich-kasten.de

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