Anatomie des Lipödems

Dr.med. Matthias Sandhofer
Schönbrunner Str. 153/6/21, AT-1120 Wien
E-mail: dr.matthias(at)sandhofer.at

 

Lange Zeit wurden Fettzellen als passive fettspeichernde Bindegewebszellen betrachtet. Diese Betrachtungsweise ist nach wie vor im Volk, aber auch im ärztlichen Beruf vorhanden, was leider unseren Lipödem Patienten nur Nachteile in ihrem sozialen Umfeld beschert. Toldt (1870) war der erste der das Fettgewebe auf Grund eines spezifischen Gefäßsystems als Organ eigener Art und Entwicklung sah. Ohne Angiogenese gibt es keine Adipogenese, ein Prozess, der sich laufend im subcutanen Gewebe wiederholt. Die ca. zehnprozentige jährliche turn overrate (Degeneration und Regeneration des Fettgewebes) ist ein physiologischer Prozess [1]. Dieser wird sichtlich im Bereich der Arme und Beine ausgehebelt, meist durch genetisch hormonelle Einflüsse!

 

Aufgaben des Fettes:

  • Polsterung
  • Füllmaterial
  • Energiespeicher
  • Wärmeisolierung
  • Oberflächenrelief

 

Das gesamte subcutane Fett an Armen und Beinen (Ausnahme Hände und Füße) scheint zu rebellieren mit allen seinen bekannten Krankheitssymptomen. Von allen bekannten Fettaufgaben scheinen weniger die Speicherung und Energiefreigabe beim Lipödem betroffen zu sein, sondern eher die Bau- und Strukturfunktion mit Folgen auf das Oberflächenrelief. Auch scheinen bestimmte Funktionen des Lymphsystems beteiligt zu sein. Die metabolischen Speicher sind primär nicht betroffen, zumal bariatrische Anwendungen des Lipödems kaum an der Morphologie und auch im Beschwerdebild etwas bewirken können. Der gesamte Subcutanraum der Extremitäten wird auch als Fascia superficialis betrachtet [2].

 

Das anatomische Substrat besteht aus einer Fett Anschoppung im wabenartigen Bindegewebs-Fasciennetzwerk, wobei die Fettdynamik sich mehr in den tiefsubcutanen epifascialen Raum ausbreitet (sWAT), ausgehend aber vom dermal papillären Bereich [3]! Hier scheint die Ansammlung diverser kapillärer Netzwerke im Bereich des dermalen Fettes (dWAT) eine bis heute nicht genau erforschte Dynamik zu entwickeln, einfach entfacht durch sogenannte leaky vessels und der damit verbundenen pathologischen Stammzellen Aktivierung [4]!

 

Auf Grund mehrerer anatomischer Studien in Graz unter Prof. Friedrich Anderhuber werden mehrere Präparationen an Armen und Beinen präsentiert. Insbesonders wird hier die sogenannte Lymphophobie der Gewebe mit der pathologischen Fettauflagerung am Schienbein gezeigt. Andere oberflächliche Strukturen des Lipödems hinsichtlich Ästhetik des Oberarmes und der damit verbundenen Brachioplastiken werden präsentiert.

 

Literatur:

1. Spalding K, Arner E, Westermark PO et al. Dynamics of fat cell turnover in humans. Nature. 2008; 5: 453(7196): 783-7.
2. Schleipp R (Hrsg), Findley T, Chaitow NJL, Huijing P: Lehrbuch Faszien – Grundlagen, Forschung, Behandlung (Elsevier 2015).
3. Sandhofer M, Anderhuber F. Das Lipödem, anatomische Studie. J Ästhet Chir (2017) 10(2): 61-70. 4. Strohmeier K, Hofmann M, Priglinger E, Barsch M, Sandhofer M et. al. Multi-level analysis of adipose tissue reveals the relevance of perivascular subpopulations and an increased endothelial permeability in early-stage lipedema. Biomedicines. 2022;10(5): 1163.
5. Strößenreiter RHK und Autorenkollektiv. Lipödem und Cellulitis sowie andere Erkrankungen des Fettgewebes. (Köln: Viavital Verlag 2001)
6. Pilsl U, Anderhuber F. Anatomie des Lymphsystems. J Ästh Chir. 2019; 12: 51-58.
7. Sandhofer M, Schauer P, Anderhuber F. Der ästhetische Oberarm: Zur Anatomie und Klassifikation des lipodysmorphen Oberarmes. Kosmet Med. 2013; 34(2): 56-61.
8. Driskell RR, Jahoda CAB, Chuong CM. Defining dermal adipose tissue. Exp Dermatol. 2014; 23(9): 629-631.
9. Sandhofer M, Schauer P, Anderhuber F. Haut, Unterhaut, Fett, Faszien. Ästh Chir. 2015; 8: 151-156.

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