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Kontroversen in der ästhetischen Medizin Die Rahmenbedingungen 9: Ästhetik und Existenz

Controversies in aesthetic medicine The frame conditions 9: aesthetics and existence

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Summary

Within our network and also on numerous congresses we have realized through many discussions with colleagues and network members that the existential situation of the single physician plays an important role in ensuring that aesthetic medicine is successfully introduced or applied in the medical office, and can therefore help to ensure that both the economic situation improves in practice as well as joy and fun to the daily work increases. Sometimes the conditions are so difficult to introduce that although there is a great interest in aesthetics, however, take the daily challenges as much power and attention, that the step is not performed to a change in practice structure and the practice range. In other cases, it comes to a loss of motivation by the fact that a variety of additional tasks urge the aesthetics to the edge, and thus take the practitioner to have fun. This article deals with these very basic problems of aesthetic practice and offers possible solutions.

Zusammenfassung

Innerhalb unseres Netzwerks und auch auf zahlreichen Kongressen ist uns durch viele Gespräche mit Kollegen oder Netzwerkmitgliedern bewusst geworden, dass die Existenzsituation des einzelnen Arztes einen wichtigen Anteil daran hat, ob die Ästhetik erfolgreich in die Praxis eingeführt oder ausgeübt wird und damit dazu beitragen kann, dass sich sowohl die ökonomische Situation in der Praxis verbessert als auch Freude und Spaß an der täglichen Arbeit gesteigert werden. Manchmal sind die Voraussetzungen zur Einführung so schwierig, dass zwar ein großes Interesse an der Ästhetik besteht, die täglichen Herausforderungen jedoch soviel Kraft und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, dass der Schritt zu einer Veränderung der Praxisstruktur und des Praxisangebotes nicht durchgeführt wird. In anderen Fällen kommt es zum Motivationsverlust dadurch, dass vielfältige zusätzliche Aufgaben die Ästhetik an den Rand drängen und dem Behandler damit den Spaß nehmen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit diesen ganz grundsätzlichen Problemen der ästhetischen Praxis und bietet Lösungsmöglichkeiten an.


Die Existenzsituation

Wir möchten hier einige Beispiele aus unserer Gesprächspraxis aufführen:

 

  • Ein junger Mediziner mit starken Ambitionen, ästhetische Behandlungen in seiner Praxis einzuführen, hat 2 kleine Kinder, die ihn so in Anspruch nehmen, dass er nicht einmal seine aktuellen Aufgaben zur eigenen Zufriedenheit erledigt und beständig von einem schlechten Gewissen geplagt wird. In diese Kategorie gehören auch die Trennung von einem geliebten Partner oder die Pflege der schwerkranken Mutter.
  • Eine Kollegin hat eine Praxis vor einigen Monaten übernommen mit einer sehr hohen Kreditbelastung für neue Investitionen. Ihre einzige Konzentration ist darauf gerichtet, mit dem vorhandenen Potential die Belastung zu tragen. Bei einer Einführung der Ästhetik fürchtet sie zunächst Umsatzeinbußen, die sie sich nicht leisten kann. Auch die Gründung einer neuen Praxis oder Ortswechsel können unter diese Kategorie subsumiert werden.
  • Der Kauf eines Grundstücks in guter Lage und der Neubau eines größeren Hauses belasten einen Allgemeinmediziner so stark, dass er keine Möglichkeit sieht, seinem Hamsterrad zu entfliehen. Hierunter zählen alle Notwendigkeiten, Interessen und Bedürfnisse außerhalb der Praxissituation, beispielsweise auch die Finanzierung des Studiums mehrerer Kinder.
  • Ein alteingesessener Dermatologe in einer Gemeinschaftspraxis hat Ärger mit seinem Partner. Diese Auseinandersetzung belastet psychisch und physisch so stark, dass er kürzer treten muss. Auch ein schlechtes Betriebsklima, unmotivierte Mitarbeiter oder Auseinandersetzungen z.B. in einem MVZ können hierzu gerechnet werden.
  • Eine für ihre guten Ergebnisse in der Ästhetik bekannte Ärztin mit Kassenpraxis hat den ganzen Tag einen großen Patientendurchlauf und kann nur an den Abenden ästhetische Behandlungen durchfü Diese Situation belastet sie seit Jahren. Fehlende Zeitökonomie deutet auf eine ungeordnete Praxisorganisation hin. Diese kann sich auf vielfältige Art und Weise äußern.
  • In einer Allgemeinarztpraxis im ländlichen Gebiet fällt es der Praxisinhaberin schwer, neue Patienten zu gewinnen. Ähnlich gelagerte Standortprobleme können beispielsweise auch durch Problemviertel in größeren Städten entstehen.
  • Eine Arztpraxis hat vor allem ältere Patienten mit vielfältigen Gesundheitsproblemen, bei denen Ästhetik nicht die erste Priorität hat. Dieses Beispiel wirft die Frage auf, wie ich meine Zielgruppe optimal ansprechen kann.

 

Dieser Artikel wird verantwortet sowohl von 2 Medizinern mit unterschiedlicher Praxisstruktur als auch von einem der Moderatoren des NETZWERK-Globalhealth. Hintergrund für diese Kooperation ist, möglichst viele verschiedene Perspektiven zu integrieren.

 

Für das NETZWERK-Globalhealth kann gesagt werden: Wenn wir über diese verständlichen existentiellen Hindernisse nachdenken, dann beginnen wir sofort, unsere eigene Situation als Netzwerk BackOffice und Moderatoren zu überdenken und finden viele Parallelen. Wir befinden uns in einer ganz ähnlicher Situation wie viele unserer Mitglieder. Deshalb empfinden wir zunächst nichts anderes als Solidarität mit den hier geschilderten Verhältnissen und können diese sehr wohl nachvollziehen. Auch uns belastet die ökonomische Herausforderung manchmal so stark, dass oft weiterführende Ideen auf der Strecke bleiben oder zurückgestellt werden müssen, weil einfach nicht das Potential vorhanden ist, um diese zu realisieren.

 

Die Frage, wie der tägliche existentielle Überlebenskampf nicht als Hindernis erscheint, dass von erfolgreichen Umsetzungen abhält, sondern wie wir diese Herausforderung nutzen können, um unsere existenzielle Situation so zu verbessern, dass wir unsere Visionen realisieren, beschäftigt uns sehr oft und bestimmt unsere Reflexionen. Wir möchten deshalb nicht auf die oben geschilderten einzelnen Situationen eingehen und von oben herab scheinbare Lösungen vorschlagen, denn wir glauben nicht daran, dass dies von außen möglich ist, sondern wir möchten lieber den Weg skizzieren, wie wir mit dieser an Widersprüchen reichen Situation umgehen.

 

Allgemeine Überlegungen zur Nutzung des Existenzwiderspruchs

Obwohl in unserer Zeit nahezu jeder diesem Existenzwiderspruch ausgesetzt ist oder war, sind erstaunlicherweise einige Ärzte sehr erfolgreich. Die These, die wir dem zugrunde legen ist, dass diese Ärzte den Existenzwiderspruch erfolgreich genutzt haben. Die Ursachen dieses Widerspruchs können nicht aufgelöst werden ohne eine grundlegende Veränderung unserer ökonomischen Strukturen, deshalb kann eine Lösung nur darin bestehen, diesen existenten Widerspruch zu nutzen. Erfolg sollte dabei nicht allein auf die Kategorie ökonomischer Erfolg beschränkt werden, er kann sich auch in anderen Feldern zeigen.

 

Wenn wir unsere eigene Situation der Netzwerk Organisation betrachten, dann sehen wir uns nicht in der Situation, diesen Widerspruch bereits erfolgreich genutzt zu haben, vielmehr sehen wir uns lediglich auf einem guten Weg. Deshalb sind diese Überlegungen als eine Art Etappenergebnis zu bewerten. Wir empfinden diese Situation deshalb als produktiv, produktiver als wenn wir bereits alle Widersprüche für uns bearbeitet hätten.

 

Dieser Artikel soll alle diesem Thema zugehörigen Aspekte, die in den vorherigen Artikeln ausführlich diskutiert wurden, nochmals kurz mit aufnehmen, um hier ein vollständiges Bild möglicher gangbarer Wege aufzuzeigen sowie einige weitere Aspekte diskutieren, die nur am Rande mit der Ästhetik selbst zu tun haben.

 

  1. Identität
    Identität mit der eigenen Existenzsituation ist für uns der Schlüssel zu allem anderen (KM 1-2014). Je stärker die Identität, desto klarer zeichnen sich Lösungswege aus der Existenzfalle ab. Dazu gehört auch die Identität zur Ä Nur wer für die Ästhetik „brennt“, kann dort erfolgreich werden.
  2. Team
    Wenn die Herausforderung als Teamaufgabe verstanden wird, ist sie zu lö Dies bedeutet, die eigene Praxis als wichtigen Teil des eigenen Netzwerks zu betrachten und alle Einflüsse von innen und außen zu reflektieren, ohne sie zu bewerten.
  3. Netzwerk
    Zum Netzwerk gehört unbedingt die familiäre Situation dazu. Bestehen hier unterschiedliche oder gemeinsame Auffassungen, wie Praxis und Familie oder Freunde miteinander harmonieren sollen, kann dies die Konflikte verstärken oder minimieren.
  4. Kollegen
    Dieser Punkt zielt ab auf die höher geordnete Netzwerkebene, zum Beispiel die Ebene der ästhetischen Mediziner oder der Injektions-Lipolyse. „Wie viel bin ich bereit zu geben oder möchte ich nur erhalten?“ ist hier die entscheidende Frage.
  5. Patienten
    Das Verhältnis zu den eigenen Patienten wurde in der Artikelserie kontinuierlich thematisiert. Wir haben bislang einen Begriff nicht eingebracht, der bei Medizinern stark tabuisiert ist: Verkauf. Dieser Artikel soll sich unter anderem auch mit diesem Begriff auseinandersetzen und ihm positive Aspekte abgewinnen.

 

Grundsätzlich wollen wir die Hypothese aufstellen, dass alle hier geschilderten Probleme mit starker Identität zur Ästhetik und durch die Fähigkeit zur Kommunikation, Kooperation und Strukturierung bearbeitet werden können. Dies gilt für alle Aspekte, also Team, Kollegen, Netzwerke oder Patienten.

 

Stimmen die Rahmenbedingungen jedoch nicht, kann die Praxis nicht erfolgreich arbeiten und die oben geschilderten Fähigkeiten verpuffen. Dies betrifft sowohl rechtliche als auch steuerliche Aspekte, die Organisationsform (Institut, Privatpraxis, Kassenpraxis, …) sowie den Praxisaufbau und das Marketing. Nur wenn all diese Aspekte als Faktoren für Erfolg und Misserfolg betrachtet werden, sind die Rahmenbedingungen so gestrickt, dass Erfolg erst ermöglicht wird.

 

Team und Partner

Auseinandersetzungen zwischen mehreren Praxispartnern resultieren in der Regel aus Konflikten über die richtige Praxisführung. Typisches Beispiel eines solchen Konfliktes ist der Einstieg eines jüngeren Arztes in eine gut eingeführte Praxis. Der Konflikt, der sich hier abspielt, ist der, dass der ältere Partner fast immer „Alles beim Alten“ lassen möchte (Es läuft doch ganz gut!), während der Neueinsteiger das Bedürfnis hat, sich einzubringen und zu realisieren. Führt dies zu Konflikten, dann stecken dahinter Ängste, die in der Kommunikation nicht offen ausgesprochen werden und die dann dazu führen, dass sich die beiden Positionen, die ja durchaus verständlich sind, immer mehr verhärten, weil beide sich nicht richtig verstanden fühlen. Wichtig erscheint uns in diesem Zusammenhang, was auch für neue persönliche Beziehungen gilt, die wir hier als Analogbeispiel heranziehen wollen: Viele Konflikte in Beziehungen resultieren aus der falschen Annahme, dass ein positives Gefühl, z.B. Begeisterung, allein ausreicht, um eine Beziehung lebendig werden zu lassen und ihr eine solide Basis zu geben. Die Praxis allerdings zeigt ein vollständig anderes Bild mit dem Effekt der kontinuierlich steigenden Trennungszahlen. Geht man jedoch von der Annahme aus, dass eine Beziehung nur über die notwendige Auseinandersetzung über den gemeinsamen Weg entstehen kann und nicht durch ein positives Gefühl, hat man eine korrekte Auseinandersetzungsebene eingenommen, die die Möglichkeit bietet, Gemeinsamkeit zu erzeugen. Was für persönliche Beziehungen gilt, gilt gleichermaßen auch für Geschäftspartnerschaften. Erst wenn ich meinen Partner vollständig verstehen gelernt habe – und dies geht nur über die Konfrontation mit den eigenen Vorstellungen von Zusammenleben oder Zusammenarbeiten – kann so etwas wie Gemeinsamkeit entstehen.

 

Diese Art von Auseinandersetzungen kann es auch auf hierarchisch untergeordneten Ebenen geben, etwa zwischen Praxisinhaber und angestellten Ärzten oder zwischen Praxisinhaber und Helferinnen. Hier ist vor allem das Einfühlungsvermögen des Praxisinhabers gefordert, denn sie oder er verfügt über die Macht, die eigenen Vorstellungen undiskutiert durchzusetzen.

Ein Team – seien es gleichberechtigte Partner oder Angestellte – kann nur dann erfolgreich zusammenfinden, wenn alle Beteiligten sich eingebunden fühlen mit ihren jeweiligen individuellen Interessen und unter dem Blickwinkel des individuellen Zugangs zu einer gemeinsam zu erzeugenden Situation. Geschieht dies nicht, sind Konflikte vorprogrammiert. In vielen Fällen, insbesondere wenn die Praxisinhaber Veränderungen (manchmal berechtigterweise) fürchten und deshalb verhindern, kann eine unabhängige Instanz – Mediation oder Moderation – dazu führen, dass Konflikte von Vornherein ausgeschlossen werden oder bereits bestehende Konflikte aufgelöst werden. Ein Team wird dadurch zum Team, wenn es in der Lage ist, Konflikte erfolgreich im Sinne aller Beteiligten zu lösen. Finanzielle Anreize für die Mitarbeiter sind empfehlenswert und können mit dazu beitragen, die Motivation zu erhöhen.

 

Noch ein wichtiger Hinweis sei uns gestattet: Ästhetische Behandlungen können nie „noch oben drauf“ auf den Praxis-Alltag gepackt werden, sondern man muss sich zwingen (!), andere Tätigkeiten zu opfern. Es geht also nicht primär um das „mehr Geld verdienen“, sondern ausschließlich um das „anders Geld verdienen“. Der Umsatz kann nur einmal gemacht werden. Viele Ärzte wollen die Ästhetik nur als zusätzliches Standbein, um den Gewinn zu steigern. Das wird in der Regel nur dann funktionieren, wenn gewinnschwächere, zeitaufwändige Leistungen abgestoßen werden.

 

Auch hier kann wiederum die Parallele zum Netzwerk BackOffice gezogen werden. Wir haben als eine unserer Schwächen identifiziert, dass jede Abteilung ausschließlich auf sich selbst orientiert ist und nicht auf die gemeinsamen Ziele des ganzen Büros und noch weiter gedacht des ganzen NETZWERK-Globalhealth und seiner Therapienetzwerke. Nur wenn es uns gelingt, den begonnenen Prozess der Integration von sich selbst organisierenden Einheiten, Austausch der Abteilungen zur Synergiebildung sowie Akzeptanz eines jeden Mitarbeiters von klaren Direktiven der Personen, die den Überblick über die Entwicklung und den aktuellen Status des Büros haben, erfolgreich abzuschließen und dadurch gemeinsame Fähigkeiten zu entwickeln, werden wir unseren Erfolg steigern können. Das Problem ist nicht die Konkurrenz oder der gesättigte Markt, das größte Problem ist die Herstellung von Strukturen, die chaotische Entwicklungen minimieren und sich stattdessen an einem gemeinsamen Ziel orientieren.

 

 

Netzwerk

In vorangegangenen Artikeln wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass wir alle als Organismen Bestandteile von Netzwerken sind, nicht allein Individuen. Manchmal scheint es so auszusehen, als wenn unsere Gesellschaft immer mehr in Richtung Vereinzelung driftet, dies aber nur, weil grundlegende Prinzipien wie beispielsweise die Zugehörigkeit zu bestehenden Netzwerken ignoriert werden. Wir möchten an dieser Stelle zwei unterschiedliche Ebenen ansprechen.

 

Die eine Ebene behandelt die Zugehörigkeit von privaten Beziehungen zum Praxisnetzwerk. In früherer Zeit war jedem klar, dass Familien aufeinander angewiesen sind und nur zusammen Herausforderungen bewältigen konnten. Es ist nicht einmal hundert Jahre her, dass die Großfamilie eine wichtige Voraussetzung für Überleben in unserer Gesellschaft bot. Der Praxisinhaber kann nur dann seine Kraft auf die Praxis konzentrieren, wenn er oder sie den Rücken frei hat. Auch hier geht es wieder um Konfliktlösungsstrategien und die Erkenntnis eigener Wünsche und Bedürfnisse.

 

Die grundlegenden Fragen, die beantwortet werden müssen, lauten: Wie wichtig sind mir meine persönlichen Beziehungen? Wie viel Zeit bin ich bereit, in persönliche Beziehungen zu investieren? Was erwarte ich von meinen persönlichen Beziehungen? Was kann ich leisten an Arbeit, um meine persönlichen Beziehungen zu erhalten und zu verbessern? Wo benötige ich Unterstützung, um durch eine erfolgreiche Praxis zum Erhalt und zur Entwicklung meiner persönlichen Beziehungen beitragen zu können?

 

Die zweite Ebene betrifft die übergeordnete Zugehörigkeit. Als Praxisinhaber ist man automatisch im Netzwerk der Medizin oder der ästhetischen Medizin, um einen kleineren Rahmen zu beschreiben. Wir wollen hier den Widerspruch intellektuell auflösen, der zu bestehen scheint zwischen den eigenen und allgemeinen Interessen.

 

Nehmen wir als Beispiel eine Meldung der AOK, die über DPA an viele Zeitungen gegangen ist und am 27. Mai 2015 zu lesen war: Hier wird aufgezeigt, dass Ärzte und Kliniken unnötige medizinische Angebote wie die Früherkennungsuntersuchung bei Eierstöcken anbieten. Ohne diesen Fall in seiner ganzen Dimension zu beleuchten, wollen wir ihn dennoch zur Klärung der oben beschriebenen Ebene nutzen. Es ist sicher nicht zu bezweifeln, dass unnötige Leistungen verkauft werden. Dass dies gerade auch bei Patienten geschieht, die nichts mit Ästhetik zu tun haben, zeigt, dass wir es mit einem Problem zu tun haben, das alle Fachgruppen betrifft. Der Ästhetik wird ja immer schon Geldmacherei vorgeworfen, hier aber findet sie statt, und zwar mit dem Verkaufsargument Angst. Die zweite Ebene der Dimension ist die, dass die AOK als Kasse als scheinbarer Anwalt der Patienten möglichst in einem Licht dargestellt sein will, das Patienten zwischen den Zeilen signalisieren soll, dass alle notwendigen Leistungen von ihr bezahlt werden, was so heute keinesfalls mehr zutrifft. Was diese Auseinandersetzung zwischen Ärzteschaft und Kassen bei Patienten bewirkt, ist Misstrauen in die Ärzte, denn bei den Patienten wird durch eine derartige Meldung das Vertrauen erschüttert. Eine weitere Dimension wird durch die Medien vertreten, die diese Meldung unkommentiert publizieren. Übertragen wir dieses Beispiel auf die Ästhetik: Bei der Ablehnung der Ästhetik kommen immer zwei Argumente zusammen: nicht notwendige Leistung und Geldmacherei. Ob eine Leistung für einen bestimmten Patienten notwendig ist oder nicht, bestimmt allein der Patient, zumindest in der Ästhetik, bei der keine medizinische Indikation vorliegt. Dass jede Leistung bezahlt werden muss, spricht mehr für als gegen die Ästhetik, denn hier sind die Verhältnisse klar, transparent und für jeden erkennbar. Jeder ästhetische Mediziner, der eine Leistung verkauft, die ein Patient nicht benötigt oder die dem Patienten nicht das bringt, was er sich erhofft, schadet langfristig sich selbst und er schadet allen anderen ästhetischen Medizinern. Derjenige aber, der seine medizinische Tätigkeit seriös ausübt, auch wenn dabei kurzfristige Umsätze nicht erzielt werden, nutzt dem Netzwerk der ästhetischen Medizin und langfristig auch sich selbst, denn er wird zufriedene Patienten haben und dadurch auch wirtschaftlichen Erfolg.

 

Die Zielgruppen- und Standortproblematik

Diese Problematik sollten wir differenziert betrachten, obwohl beide Probleme auch häufig miteinander verbunden sind. Grundsätzlich sollte jedem Neueinsteiger in ästhetische Angebote klar sein, dass unabhängig von einer sehr guten Qualifikation auch ein langer Atem notwendig ist. Es braucht einige Zeit, sich zu profilieren und zu etablieren. Aus finanziellem Druck heraus „mal“ Ästhetik machen, wird fast immer (!) scheitern.

 

Mit Hilfe dieser Fragestellung lässt sich sehr gut die zielgruppenspezifische Kommunikation erläutern. Wenn ich mit meiner Praxis in Niedersachsen auf dem flachen Land sitze, habe ich auf jeden Fall ein anderes Publikum als in München Schwabing oder am Prenzlauer Berg in Berlin. Natürlich sollte die Kommunikation auf den jeweiligen Partner eingestellt werden, wir werden auch in den weiteren Abschnitten des Artikels noch detaillierter darauf eingehen.

 

Um ein Beispiel zu geben: Wenn ein Bauer fragt, was das denn sei, die Injektions-Lipolyse, könnte es sein, dass wir ihn einfach vor den Spiegel stellen und ihm sein Doppelkinn zeigen und durch Handstraffung demonstrieren, wie es nach einer Behandlung aussehen könnte. Eine dem intellektuellen Niveau entstammende Patientin will vielleicht eher wissen, wie die Behandlung funktioniert, eine auf Nachhaltigkeit und Natürlichkeit orientierte Patientin will die Inhaltsstoffe der Therapie kennenlernen. In diese Kategorie fallen auch Patienten, die z.B. Botox Behandlungen ablehnen, weil ein „Nervengift“ eingesetzt wird. Ein Behandler kann nur die Therapien vertreten, von denen er selbst überzeugt ist. Es gibt auch Ärzte, die etwas gegen BTX Behandlungen haben. Solange sie nicht überzeugt sind, sollten sie die Therapie nicht anbieten.

 

Ein sehr gutes Beispiel für einen intelligenten Umgang in einer kleineren Stadt am Rande des Ruhrgebietes hat kürzlich eine Kollegin1 in einem Interview gegeben: In dieser Region bedarf es einer klaren Strategie, um Patienten für ästhetische Behandlungen zu öffnen. Einer Filler- oder Botox Behandlung würden diese Patienten nicht einfach zustimmen, dazu sind die Vorurteile zu groß. Mit einer sehr schonenden MesoLift Behandlung in den Problemzonen des Gesichts (Periobital- und Perioralregion) kann sie ihre skeptischen Patienten zunächst davon überzeugen, die Mesobehandlung auf das ganze Gesicht auszudehnen. Später haben sich diese Patienten auch geöffnet für andere Behandlungsoptionen. Gehe ich als Arzt jedoch davon aus, dass ich in der falschen Gegend sitze, habe ich gegen meine eigenen Überzeugungen zu kämpfen, die intelligente Strategien wie die geschilderte verhindern.

 

Was kann ich tun, wenn die Zielgruppe, die ich ansprechen will, nicht in meiner ärztlichen Kassenpraxis verkehrt? Diese Fragestellung ist zunächst zu differenzieren. Aus einem „nicht“ sollte zunächst einmal ein „weniger“ in der eigenen Wahrnehmung werden. Es hilft in solchen Fällen sicher nicht allein, wenn ich Informationen im Wartezimmer auslege. In einem solchen Fall helfen 2 Strategien: Ich verschaffe mir einen Überblick über meine Patienten, indem ich alle Patientendaten analysiere. Auch in einer solchen Praxis sind Patienten zu finden, die auf ästhetische Behandlungen angesprochen werden wollen. Eine solche Ansprache könnte beispielsweise darin bestehen, dass man die Patienten darüber informiert, dass die Praxis jetzt auch etwas ganz Neues anbietet und man ihnen das neue Angebot gern näher erläutern möchte.

 

Es gibt unbezweifelbar bessere oder schlechtere Standortbedingungen. Aber wie gravierend ist die Standortfrage wirklich? Die Anzahl der Patienten, die heute über eine Internetsuche den richtigen Arzt wählen, ist im vergangenen Jahrzehnt erheblich gestiegen. Mehr als 30% der Patienten kommen über dieses Medium. Dies unterstreicht, wie wichtig eine sehr gut aufgebaute und leicht zu findende eigene Homepage ist. Natürlich lassen sich neben dem Internet weitere Maßnahmen, die wir unter die Rubrik Marketing einordnen wollen, durchführen wie beispielsweise Praxis-TV.

Wir alle wissen, dass persönliche Empfehlungen einen großen Einfluss auf die Arztwahl haben. Aus einer kleinen Gruppe sehr zufriedener Patienten kann schnell ein größeres Reservoir werden. Wichtig erscheint uns in diesem Zusammenhang, dass man die Patienten bittet, den Arzt und die Behandlung weiterzuempfehlen, wenn sie zufrieden sind. Im Übrigen kann beispielsweise auch das Zentrum einer Metropole zum Problemstandort werden, nämlich dann, wenn beispielsweise wie in der Münchner City oder der Düsseldorfer Königsallee das Angebot so groß ist, dass sich Konkurrenz und damit einhergehend Preisdumping herausbilden und damit die eigene Tätigkeit erschweren.

 

Der Verkauf einer ästhetischen Dienstleistung an die Patienten

Wir hatten bereits erwähnt, dass der Begriff Verkauf in der Medizin nicht gerade beliebt ist. Dafür gibt es sicher zahlreiche Gründe. Während einer Fortbildung für medizinische Helferinnen wurde von der Trainerin, einer Office Managerin, der Begriff Verkauf benutzt. Danach schalteten mindestens 50 % der Teilnehmerinnen komplett ab. Auf Nachfrage wurde deutlich, dass viele in medizinischen Berufen Tätige sich den Beruf gerade deshalb ausgesucht hatten, weil dort kein Verkauf stattfindet. Dies gilt nicht nur für Helferinnen, sondern gleichermaßen für Ärzte.

Wir wollen ausgehend von diesem Beispiel zwei Aspekte diskutieren. Es ist eine komplette Illusion zu glauben, dass Medizin nichts mit Verkauf zu tun hat. Auch hier möchten wir wiederum auf die früheren Artikel verweisen: Verkauft wird nicht allein ein einzelnes Produkt oder eine einzelne Dienstleistung, verkauft wird heute die ganze Persönlichkeit. Insofern ist jede Begegnung immer auch ein Verkauf, denn wir alle unterliegen den Bedingungen unserer modernen Warengesellschaft. Neu hinzugekommen in der Medizin ist heute allerdings die Konkurrenz. Früher war der Verkauf medizinischer Leistungen einfach, heute unterliegt er den Kriterien der Warengesellschaften fast ebenso wie alle anderen Wirtschaftszweige und damit auch z.B. dem Kriterium der Überproduktion, also dem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage.

Zweitens zeigt dieses Beispiel, dass der Begriff Verkauf negativ belegt ist. Wer von uns ist noch nicht von einem unseriösen Verkäufer hereingelegt worden? Aus den negativen eigenen Erfahrungen heraus wird etwas bewertet, dass eigentlich ein notwendiges Vehikel für das Funktionieren unserer Gesellschaft darstellt, nämlich die Distribution von Waren und Dienstleistungen. Ohne diesen Akt würde unsere Gesellschaft nicht existieren können. Auch hier können wir wieder die Klammer bilden zwischen den individuellen Interessen und den Interessen des Netzwerks der Distribution. Unsere Gesellschaft macht es uns sehr leicht, unser Einzelinteresse gegen das übergeordnete Netzwerk zu stellen und dies umso mehr, wenn der Verkauf sich nicht wiederholt, z.B. wenn wir in einen Laden gehen und dort ein Produkt kaufen. In der modernen Ästhetik ist dies jedoch ganz anders: Wir gehen davon aus, dass immer mehr Patienten davon überzeugt sein werden, dass die Kompositorische Ästhetik mit ihrem prozessorientierten, altersbegleitenden Ansatz für sie das Richtige ist. Hier geht es also nicht um einen einmaligen Akt, sondern um Kontinuität. Es wäre nachgerade fatal, einem Patienten aus kurzfristigen Interessen heraus eine Behandlung „aufzuschwatzen“, die er nicht benötigt.

Um eine existentielle Situation zu verbessern ist deshalb auch die Notwendigkeit gegeben, eine Identität zum Verkauf zu haben. Wenn die Überzeugung besteht, dass die eigene Qualifikation dazu berechtigt, Patienten optimal zu behandeln, dann gibt es eigentlich keinen Grund, warum die eigenen Fähigkeiten nicht verkauft werden sollten.

 

Verkaufstechniken – Kommunikationstechniken

Verkaufen will genauso gelernt sein wie Medizin. Es handelt sich um Spezialwissen, das nicht unbedingt jedem sofort zugänglich ist. Doch auch der Begriff Verkaufsschulung ist nicht gerade positiv belegt. Er klingt in den Ohren Unwissender wie das Erlernen von Manipulationstechniken. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die oben genannten Prämissen zur Richtschnur des eigenen Handelns werden. Es gibt sehr viele verschiedene Ansätze, um Verkauf zu erlernen. Wir wollen hier zwei der aktuellsten und erfolgreichsten herausheben.

  1. Das Enneagramm
    Das Enneagramm wird benutzt, um das Gegenüber besser zu erkennen. Es ist ein sehr altes Modell und dient dazu, eine einzelne Persönlichkeit zu klassifizieren. In Verkaufsschulungen wird dieses differenzierte Modell stark vereinfacht benutzt, indem jede Person in eine von 3 Kategorien eingeordnet wird: Grün, Blau oder Rot. Grün ist assoziiert mit Gefü Dieser Persönlichkeitstyp wird nur dann reagieren, wenn seine Gefühle beteiligt sind (Emotionaltriade). Der blaue Typ wird charakterisiert als derjenige, der über rationale Argumente erreicht wird (Sozialtriade) und der rote Typ wird von Aktivität gesteuert (Handlungstriade). In einer sehr kurzen Verkaufssituation kann diese Typisierung helfen, die richtigen Worte zu finden, wenn es gelingt, den Kommunikationspartner einer der drei Kategorien zuzuordnen. Das Enneagramm ist weitaus differenzierter, jeder der 3 Grundtypen hat 3 verschiedene Typisierungen, deshalb Triade. Es kann dabei helfen, die innere Welt meines Gegenübers besser zu verstehen. Das Enneagramm wird in sehr vielen unterschiedlichen Verkaufsschulungen eingesetzt und es kann tatsächlich eine Hilfe sein, um eine Kommunikation so zu gestalten, dass alle Kommunikationspartner mit der Kommunikation zufrieden sind und sich verstanden fühlen.
  2. Das Neurolinguistische Programmieren (NLP)
    NLP diente ursprünglich als Kommunikationstechnik, die es ermöglichte, Patienten mit psychischen Problemen besser zu helfen, beispielsweise Phobien schnell zu behandeln. Die Technik entstand durch eine geniale Idee der beiden Psychologen Bandler und Grinder. Die beiden untersuchten die Kommunikationsstrategien der erfolgreichsten Psychologen unabhängig von den eingesetzten Therapien und entwickelten daraus ihr System. Später wurden diese Erkenntnisse auf viele andere Kommunikationsbereiche übertragen, u.a. auch auf den Verkauf. Wie jede Technik kann auch NLP zur Manipulation eingesetzt werden. Eigentlich jedoch dient es dazu, die Kommunikationspartner durch verschiedene Strategien zu verbinden und einen emotionalen Gleichklang zu erzeugen. Es dient nicht dazu, eigene Interessen durchzusetzen. Umgekehrt dient es natürlich auch nicht dazu, eigene Interessen zu ignorieren.

 

Beide hier beschriebenen Möglichkeiten der Erweiterung des eigenen Handlungsspektrums können dazu genutzt werden, eine Kommunikationssituation (Verkaufssituation) so zu gestalten, dass alle am Prozess Beteiligten zufrieden sind. Welche Verkaufstechniken auch immer man sich aneignet, es handelt sich immer darum, das Gegenüber und seine Bedürfnisse besser zu verstehen und die eigene Kommunikation auf diese Persönlichkeit abzustimmen. Es grenzt fast schon an Überheblichkeit zu glauben, man benötige diese Techniken nicht. Denn es ist eine Missachtung des Kommunikationspartners, sich nicht auf seine Bedingungen einzustellen.

 

Fazit

Die existentielle Situation einer ästhetisch arbeitenden oder im Aufbau befindlichen Praxis muss unbedingt berücksichtigt werden. Nur, wenn es gelingt, die vor allem auf den/die Praxisinhaber wirkenden Kräfte im Sinne einer Verbesserung der Praxissituation zu nutzen, kann sich langfristiger Erfolg einstellen.

 

Gibt es also so etwas wie eine Formel für Erfolg in der Ästhetik? Wir sagen ja:

Wer eine starke Identität zur Ästhetik aufgebaut hat, wird dafür sorgen, dass die Praxis Rahmenbedingungen bekommt, die ästhetische Behandlungen wirtschaftlich profitabel gestalten. Diese Rahmenbedingungen bieten die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, die sich nicht allein auf die Behandlungen selbst beziehen, sondern vor allem auch kommunikative Fähigkeiten sowie Teamführung und -motivation mit einschließen. Ein gut geführtes Team mit einer Orientierung auf gemeinsam zu erreichende Ziele, eine Beachtung aller mit dem Praxisnetzwerk einhergehenden Netzwerkaspekte wie die persönliche Situation, eine detaillierte Analyse der Zielgruppen- und Standortsituation sowie die Übereinstimmung und Verbindung mit übergeordneten Zielen bieten die beste Garantie für Erfolg.

Korrespondenz-Adresse

Dipl.-Ing. Dirk Brandl
Mühlenstraße 19
D-48317 Drensteinfurt
brandl@network-globalhealth.com

Literatur

1. Ästhetische Mesotherapie erfolgreich durchführen, Interview mit Dr. Gisela Funke, Kosmetische Medizin 5.14

Ausgabe

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