Originalie
Volker Schrader
Plädoyers für eine Erweiterte Medizin Teil 6: Therapeutische Verfahren der Extended Medicine: Was ist überhaupt Gesundheit und Krankheit? Über die Definitionsschwierigkeiten eines dialektischen Prozesses
Pleas for Extended Medicine Part 6: Therapeutic Procedures of Extended Medicine: What is health and disease anyway? On the definitional difficulties of a dialectical process
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Keywords
definition of health, disease, extended medicine, modern medicine
Schlüsselworte
Extended Medicine, Gesundheit, Krankheit, moderne Medizin
Summary
The definition of the World Health Organization (WHO) from 1946 is: "Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely freedom from disease and infirmity." In many cases, health and illness merge smoothly, with health representing more of a balance of all physical and mental-spiritual functions and illness representing their imbalance. This balance of health is constantly exposed to various threats - internal and external influences. In the broadest sense, human health can be regarded as a desirable state of undisturbed execution of all life processes, the ability to actively shape life and the subjective well-being associated with it. In this article, the changing definition of health and disease in the course of history up to the present day will be discussed.
Zusammenfassung
Die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1946 lautet: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen.“ Gesundheit und Krankheit gehen vielfach fließend ineinander über, wobei Gesundheit eher eine Art Gleichgewicht aller körperlichen und seelisch-geistigen Funktionen und Krankheit deren Ungleichgewicht darstellt. Dieses Gleichgewicht der Gesundheit ist ständig den verschiedensten Bedrohungen - inneren und äußeren Einflüssen - ausgesetzt. Im weitesten Sinn kann man Gesundheit des Menschen als einen erstrebenswerten Zustand des ungestörten Vollzugs aller Lebensprozesse, der Fähigkeit zur aktiven Lebensgestaltung und des damit verbundenen subjektiven Wohlbefindens betrachten. In diesem Artikel wird auf die sich verändernde Definition von Gesundheit und Krankheit im Laufe der Geschichte bis heute eingegangen.
Beide Termini bezeichnen voneinander unterscheidbare Zustände des menschlichen wie auch jedes organischen Lebens, deren Definition im Laufe der Geschichte, der Kultur wie der fortschreitenden medizinischen Erkenntnis mannigfache Wandlungen erfahren hat.
Im weitesten Sinn kann man Gesundheit des Menschen als einen erstrebenswerten Zustand des ungestörten Vollzugs aller Lebensprozesse, der Fähigkeit zur aktiven Lebensgestaltung und des damit verbundenen subjektiven Wohlbefindens betrachten.
Die Veränderung und Erweiterung der Definitionen im Laufe der Geschichte
In der Antike bestand dieser Zustand in der ausgewogenen Zusammensetzung der Körpersäfte. Im Mittelalter in der Erhaltung der natürlichen Lebensordnung.
Seit der Industrialisierung wurde der Gesundheitsbegriff stärker individualisiert, wobei sich Gesundheit und Krankheit einer stärkeren Normierung unterwerfen mussten, sich also Gesundheit als Kriterium nach normativen Vorstellungen ausrichtete. Bedeutung erlangte in diesem Zusammenhang auch die Vorstellung von sozialer Hygiene und Arbeitsfähigkeit im Rahmen der noch jungen kapitalistischen Produktion. Leistungsfähigkeit, Fleiß, Mäßigkeit und Anpassungsvermögen spielten hierbei eine zentrale Rolle.
Gesundheit wurde zu einem starken Faktor der Produktivkräfte in der Gesellschaft. Kein Wunder, dass in diesem Zuge auch das Gesundheitswesen begann, den Weg der Industrialisierung zu beschreiten und eine gesellschaftspolitische Bedeutung erlangte im Rahmen staatlicher Gesundheitspolitik.
Der Aufwand dafür sollte vorerst auf ein Minimum reduziert werden, weil Gesundheitspolitik den Profit schmälert. Symptomfreiheit stand somit im Mittelpunkt des Interesses, nicht unbedingt das Streben nach Gesundheit.
Versuch einer aktuellen Definition von Gesundheit
Heute könnte es so formuliert werden:
Gesundheit ist die Verfassung des individuellen Daseins, die einen geordneten und weitgehen störungsfreien Vollzug der durch die genetische Ausstattung im Prinzip möglichen, von den Umweltbedingungen erforderten und durch die Anpassung der Reaktionsformen des Organismus an Anforderungsstrukturen der aktiven Lebensgestaltung ausgebildete und elaborierte Lebensfunktionen ermöglicht.
Die biologische Voraussetzung dieses Gesundseins ist in der Fähigkeit des Organismus gegeben, das homöostatische Gleichgewicht bei stets wechselnden Umwelteinwirkungen aufrecht zu erhalten und Störungseinflüsse mittels spezifischer Regulationsmechanismen fortwährend zu kompensieren. Die psychische Dimension wird bei diesen Vorgängen konstitutiv, ist also zentraler Bestandteil jeder Entstehung und Begutachtung eines gesundheitlichen Status. Es können eben auch Störungen des Wohlbefindens auftreten, die (noch) nicht physiologisch-pathologische Grundlagen haben. Eine Gesundheitsbestimmung der WHO (siehe deren Präambel) impliziert auch das vollständige soziale Wohlbefinden als wesentliche Komponente des Gesundseins.
Seitdem Gesundheit auch dem Bereich der Eigenverantwortlichkeit zugeschrieben wurde, gibt es die Gesundheitserziehung. Solange diese aber nicht in der Lage ist, die Gestaltung der Lebensbedingungen zu ermöglichen, kann in diesem Bereich kaum etwas bewirkt werden.
Die Leistungsgesellschaft und der damit einhergehende Druck, immer möglichst optimal zu funktionieren, sind derart dominant, dass das Gleichgewicht im Stoffwechsel mit der Umwelt oft nur durch ein körperlich-geistiges Ungleichgewicht erreicht wird.
Die Einnahme von Alkohol, Drogen und Medikamenten erzeugt scheinbar vordergründig Kompensation. Ihre „Nebenwirkung“ besteht in der Verlagerung der Krankheit auf tiefere Ebenen.
Da die Medizin aus der traditionell überlieferten erfahrungsbegründeten Heilkunde entstand – ursprünglich als Naturheilkunde – bestand ihre Aufgabe darin, heilende Hilfe für die Kranken bereitzustellen.
Krankheitsdefinition heute
Im Weiteren konzentriere ich mich auf die „normalen“ Krankheiten und lasse körperliche Behinderungen und Verletzung außen vor.
Die Auffassungen über die Entstehung von Krankheiten, ihrem regelhaften oder gesetzmäßigen Charakter, wie sie vermieden oder geheilt werden können, haben sich mit der Entwicklung der menschlichen Kultur und Medizin ebenso verändert wie die Auffassungen zur Gesundheit und sind damit extrem widersprüchlich, ja sogar auseinanderstrebend. Die Entwicklung im Rahmen der Diagnostik, der Ätiologie, der Nosologie, also der systematischen Beschreibung von Krankheitsbildern, der Therapien und Rehabilitation hat sich in Verbindung mit der wissenschaftlichen Erfassung von Lebensvorgängen vollzogen.
Erkenntnisse über molekulare Strukturen und biochemische Vorgänge im subzellulären Bereich haben zu erheblichen differenzierten Erkenntnissen über Krankheitszustände und Krankheitsprozesse geführt. Die homöostatische Regulation von Organismus-Umwelt Beziehungen erfolgt über hormonelle und neuronale Adaptionsvorgänge. Störungen in diesen Bereichen führen unter anderem zur Schwächung der Immunabwehr, was für die Abwehr infektiöser Krankheitserreger problematisch wird.
Die in der Geschichte immer weiter fortschreitende Arbeitsteilung in der Medizin hat zu spezifischen Forschungen in den verschiedensten Bereichen geführt und deshalb zu einer Segmentierung des medizinischen Wissens. Der Tatbestand einer notwendigen betriebswirtschaftlichen Anpassung hat bei den medizinischen Institutionen zu einer fachspezifischen Reduktion der Medizin geführt. Ähnlich wie der Wissenschaft ganz allgemein im Laufe der Zeit der Universalgelehrte abhandenkam, geschah dies auch in der Medizin.
Krankheit als multifaktorieller Prozess
Betrachtet man die Faktoren für Gesundheit und Krankheit im Menschheitsprozess, wird evident, dass die Auslöser für Krankheiten bzw. für das Kranksein multifaktoriell sind, unabhängig davon, wie diese Pathologien im Einzelnen entstehen und welchen Ausdruck sie finden. Die vielfältigen Krankheitswirkungen von außen und das individuelle Potential der inneren Regulationsfähigkeit werden durch spezifisch individuelle bis persönliche Bedingungen gebrochen, erscheinen akut oder chronisch und sind alle systemischen Charakters.
Der Begriff Homöostase bezieht sich auf eine systemische Kohärenz, also eine Logik von Zusammenhängen. In diesem systemischen Sinn sind Krankheiten zwar nicht wünschenswert, aber immer noch „gesünder“ als der Zusammenbruch des Systems, denn die Krankheit führt im positiven Sinn wiederum zur Homöostase, wenn auch auf einer niederen Ebene.
Unsere vielen Zivilisationskrankheiten sind umfassend interpretiert durchaus als physischer Widerstand gegen pathologische Umwelteinflüsse zu betrachten.
Eine einseitige pharmakologische oder technologische Therapie kann deshalb nicht als umfassende Antwort auf Krankheiten verstanden werden. Es bedarf in der Diagnostik sowie in der Therapie eben dieses multifaktoriellen Ansatzes.
Über die Einheit der vielen organismischen Seiten des Individuums
Physis und Energie, Körper und Geist, Psyche und Physis sind die vielfältigen Seiten einer Einheit. Der Mensch ist ein ganzheitliches und kein duales Wesen. Deshalb sollte die Medizin all diese Aspekte berücksichtigen. Die moderne Placebo Forschung beweist dies eindeutig. Der Glaube (wohlgemerkt: Nicht die Glaubensinhalte) hat einen erheblichen Anteil am Gesundheits- und Krankheitsgeschehen. Die Stärkung der damit einher gehenden Selbstheilungskräfte ist eng mit dem Glauben an Heilung oder Erfolg verbunden.
Wer allerdings dem dualistischen statt dialektischen Weltbild anhängt und in Folge nicht von Geist, sondern von Geistheilung und ähnlichen mystischen Phänomenen spricht, ohne zu erkennen, dass es sich hierbei nur um Ideologien handelt, die noch vor der Aufklärung entstanden sind, ohne Kenntnisse über Biophotonenstrahlung, Lebensenergie bzw. Quantenphysik, der wird unglaubwürdig. Eine Regression in mittelalterliches Denken und urzeitliche Medizin kann den Anforderungen der modernen Medizin nicht gerecht werden. Das medizinische Wissen der Geschichte sollte aufgenommen werden, es bedarf aber einer neuen Interpretation und der zeitgemäßen Umformulierung seiner Inhalte.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann deshalb formuliert werden, dass eine „kranke“ oder krankmachende Welt eine Tautologie ist. Welt und Realität sind nämlich niemals perfekt. Es gibt lediglich historisch-gesellschaftlich spezifische und natürliche Belastungen. Sie alle fordern den Organismus heraus und belasten ihn. Es entstehen Ungleichgewichte, die vom Einzelnen im Organismus ausgeglichen werden müssen. Jeder hat dafür spezifische Voraussetzungen genetischer und epigenetischer Art. Es gibt ungleiche Belastungen aus der Umwelt. Sie sind spezifisch, aber allgegenwärtig, treten auch durch fremde Organismen in Erscheinung. Sie führen zu unterschiedlichen Krankheiten im Zusammenhang auch sozio-kultureller Unterschiede, weil die Anforderungen an die Anpassung unterschiedlich sind, je nach spezifischem Milieu und gesellschaftlicher Entwicklung.
Aktuell befinden wir uns auf dem Stand einer Bevölkerungsdichte auf diesem Planeten, die dessen Ressourcen grenzwertig verbraucht. Die Wirkungen sind global und ebenfalls ein krankmachender Faktor. Die Corona Pandemie veranschaulicht uns dies auf plakative Art und Weise, als Menetekel einer möglichen Zukunft.
Dies alles muss vom einzelnen Individuum eigenverantwortlich reguliert werden, und deshalb kann es gesellschaftliche Unterstützung durch ein Gesundheitssystem und von der Wissenschaft der Medizin erwarten, vor allem, wenn es sehr krank ist.
Ganz nüchtern betrachtet kann die aktuelle „moderne“ Universitätsmedizin dies nicht befriedigend leisten, unabhängig von ihren unbestrittenen Leistungen. Sie ist existentiell verwoben, nicht mit ethischen Werten, sondern mit den Verwertungsinteressen der Wirtschaft in Form von Aktiengesellschaften. Niemand in den Aufsichtsräten der Pharmafirmen interessiert sich primär für eine gesunde Menschheit. Nein, Kranksein füllt die Kassen. Die meisten leben deshalb krank bis an ihr Lebensende. Das Gefühl von Gesundheit und damit Potenz dem Leben gegenüber gibt es gerade noch vereinzelt in der Kindheit und Jugend. ADHS und Nierensteine bei Kindern, um nur zwei Symptome zu nennen, lassen auch das Ende dieser Phase in absehbarer Zeit vermuten.
Eine verantwortungsvolle Medizin und Gesundheitspolitik hat die moralisch-ethische Aufgabe, alles Bestehende und Erfolgreiche und aus Erfahrung Gelernte für die Bewältigung dieser horrenden Aufgabe „Gesundheitserhaltung“ in Synergie zusammenzuführen.
Wer dies nicht tut, sondern im Sinne des Profites den Patienten als Milchkuh für das eigene Portemonnaie missbraucht, der begeht eine Menschenrechtsverletzung. Dies gilt für beide Bereiche der „normalen“ wie der „alternativen“ Medizin und der Heilberufe.
Jeder Arzt und Heilpraktiker hat die moralisch-ethische Verpflichtung, sich umfassend zu informieren und zu orientieren. Alle sollten aus dem gesamten Arsenal therapeutischen Potentials der „Extended Medicine“ schöpfen, um ihrem „göttlichen“ Auftrag gerecht zu werden, was in diesem Zusammenhang bedeutet, Angebundenheit und Empathie für die lebendige Welt anzustreben.
Die biologische Landwirtschaft beweist uns, dass man auch auf ethisch-moralisch einwandfreie Weise Geld verdienen kann. Schwarze Schafe bestätigen diese Regel.
Der höchste Grad der Arznei ist die Liebe
Die Liebe ist es, die die Kunst lehret,
und außerhalb derselbigen wird kein Arzt geboren.
Schwätzen, süß reden ist des Maules Amt,
helfen aber, nutz sein, ist des Herzens Amt.
Im Herzen wächst der Arzt, aus Gott geht er,
des natürlichen Lichtes der Erfahrenheit ist er.
Nirgend ist, wo große Liebe von Herzen gesucht wird,
größer als im Arzt. (Paracelsus)
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Conflict of Interests
Der Autor ist Berater des Netzwerk Globalhealth