Pharmakologie der Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) bei Lipödem
Doz. Dr.med. Alfred Grassegger
Salurner Str. 15, AT-6020 Innsbruck
E-Mail: grassegger(at)hautlaser.at
Die TLA unterscheidet sich grundlegend von der klassischen Lokalanästhesie oder auch der Regionalanästhesie. Lidocain und auch Prilocain werden bei uns am häufigsten verwendet.
Diese Methode der Tumeszenz- LA ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Liposuktion des Lipödems, da durch die TLA eine gewebe- und vor allem lymphgefäß-schonende Methode der Liposuktion möglich ist [1].
Dabei werden bis zu mehrere Liter einer meist 0,04 – 0,1% Lidocain Lösung mit Epinephrin in physiologischer NaCl Lösung (gepuffert auf pH 7,4 mit NaBicarbonat [1, 2, 3] mittels Pumpe infiltriert. Nach entsprechender Einwirkzeit von bis zu 1 Stunde wird das Fettgewebe abgesaugt unter Schonung neuronaler, vasculärer sowie Bindegewebsstrukturen. Der Zusatz von Adrenalin ist unbedingt notwendig, um Vasokonstriktion zu erreichen, welche Hämorrhagien verhindert und eine entsprechend lange Wirkung der TLA gewährleistet.
Pharmakokinetik:
Die Kinetik der Lidocain-Plasmaspiegel ist direkt abhängig von der eingebrachten Lidocain (od Prilocain)-Konzentration: während bei herkömmlicher LA mit 1% oder 2% Lidocain ein rascher Anstieg mit nachfolgend raschem Abfall (peak) erfolgt, kommt es bei TLA (0,05%) zu einer über 8 – 20 Stunden anhaltenden Plateaubildung der maximalen Plasmaspiegel. Dabei können allerdings die erreichten Spiegel nicht sicher vorausgesagt werden, wie Nordström 2005 zeigten [4]. Allgemein werden jedoch Höchstdosen von Lidocain bei TLA von 35-45mg/kg KG als sicher angesehen [2, 3, 5], das allerdings dem 5-fachen der zugelassenen Höchstdosis bei klassischer LA entspricht. Wie Klein und Jeske kürzlich zeigten, sind 45 mg/kg KG Lidocain als sichere Dosis einzustufen [6]. Kritische Punkte sind aufgrund des Lidocainmetabolismus über das Cytochrom P450 System zusätzliche Begleit-Medikation (mit Blockade von Cytochrom P450, z.B. Midazolam, Propofol u.v.a.) eingeschränkte Leberfunktion (auch hämodynamisch durch erniedrigte Perfusion bei negativ inotroper Begleitmedikation, z.B. Betablocker), versehentliche intravasculäre Infiltration (cave Tachykardie), sowie bei Prilocain die Gefahr der MetHb Bildung. Da die maximalen Plasmaspiegel über Stunden persistieren, wird eine postoperative 24-stündige Überwachung empfohlen.
Toxizität:
Bei Auftreten klinischer Symptome einer Lidocain Toxizität, die ab Plasmaspiegel von 5 ug/ml einsetzen, (Übelkeit, Benommenheit, shivering, periorales Taubheitsgefühl, Blutdruckabfall, cerebraler Krampfanfall) sollte Intralipid iv im Bolus und anschließend als Infusion verabreicht werden (siehe Protokoll unter www.lipidrescue.org ). Obwohl die Wirkung von Intralipid bei toxischer Bupivacain Nebenwirkung (‚Arrhythmie, Asystolie im Tiermodell, verwendet in der Regionalanästhesie aber nicht in der TLA) gut belegt ist, konnte kein sicherer Effekt auf die Lidocain Toxizität bei freiwilligen Probanden gefunden werden [7].
Literatur:
- Klein JA. The tumescent technique for liosuction surgery. Am J Cosmet Surg 1987; 4: 236-67.
- Klein JA. Pharmacokinetics of tumescent lidocaine. In: Klein JA, editor. Tumescent technique: tumescent anesthesia and microcannular liposuction. St. Louis: Mosby; 2000. Pp 141-61.
- Sattler G., Sommer B, Bergfeld D, Sattler S. Tumescent liposuction in germany: history and new trends and techniques. Dermatol Surg. 1999; 25: 221-223.
- Nordström H., Stange K. Plasma lidocaine levels and risks after liposuction with tumescent anaesthesia. Acta Anaesthesiol Scand 2005; 49: 1487-1490.
- Habbema Louis. Safety of liposuction using exclusively tumescent local anesthesia in 3,240 consecutive cases. Dermatol Surg 2009; 35: 1728-1735.
- Klein JA, Jeske DR. Estimated maximal safe dosages of tumescent lidocaine. Anesth Analg 2016; 122: 1350-1359.
- Heinonen JA, Litonius E, Salmi T et al. Intravenous lipid emulsion given to volunteers does not affect symptoms of lidocain brain toxicity. Basic & Clinical Pharmacology & Toxicology, 2014; 1-6.