Übersichtsarbeit


Investoren als innovative Nachfolgeoption in der aktuellen Praxislandschaft – Überlegungen und Entscheidungshilfen für die Plastisch-ästhetische Medizin

Investors as an innovative succession option in the current practice landscape – considerations and decision-making aids for plastic and aesthetic medicine

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Schlüsselworte

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Summary

The article examines investor-driven practice acquisitions as an innovative succession strategy for medical practices in Germany, specifically addressing small practices and those primarily serving private-paying patients. It highlights the need to carefully align investor offers with personal and professional values, maintain flexibility in long-term planning, and fully comprehend the implications of post-sale transitions. Involving specialized legal advisors and consulting with experienced colleagues can help streamline the process and mitigate potential risks. Germany’s healthcare landscape is becoming increasingly challenging due to rising administrative demands and evolving regulations, particularly affecting specialized fields such as plastic surgery. Despite these complexities, selling to investors can offer practitioners significant financial security, alleviate administrative burdens, and create new career paths within larger medical networks. For retiring practitioners, especially those with a strong private patient base, such transitions can ensure business continuity and even enable future growth by expanding service capabilities and leveraging shared resources.

Zusammenfassung

Die Zusammenarbeit mit Investoren bietet im Momentum eine attraktive Möglichkeit für eine strukturierte Nachfolgeregelung, insbesondere für Praxisinhaber, die über größere Praxisstrukturen verfügen. Unterschiedliche Investoren verfolgen dabei z.T. divergente Geschäftsphilosophien, was ein Thema bei der Vertragsgestaltung ist, sich aber maßgeblich mehr noch auf den Umgang im persönlichen Miteinander in den 3 Jahren nach dem Verkauf auswirken kann. Bedeutsam ist, die finanziellen Chancen und Risiken der Praxisabgabe zu analysieren, gleichzeitig die mittelfristigen Auswirkungen auf das Praxisprofil zu berücksichtigen, vorrangig aber den eigenen Lebensplan im Blick zu haben. Dabei gilt es, Wertevorstellungen zu bewahren und eigene Prinzipien in der Vertragsgestaltung zu realisieren. Eine Einschätzung der Veränderungsprozesse nach dem Verkauf ist notwendig, um potenzielle Widrigkeiten bereits im Vorfeld zu vermeiden. Der Austausch mit Kollegen, die ähnliche Prozesse durchlaufen haben ist sehr zu empfehlen. Die Begleitung durch eine exzellente Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten Medizinrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht ist eine conditio sine qua non. Praxisinhaber sollten durch einen Verkauf flexibel bleiben, die eigenen Lebensziele klar vor Augen haben und prüfen, wie sich die Praxisübergabe auf das Verhältnis zu dem bestehenden Patientenstamm und gegebenenfalls zu einer künftigen Patientenakquise auswirken kann. Der Grundgedanke ist, durch einen Praxisverkauf an einen passenden Investor signifikant an zu Freiheit gewinnen und nicht in den seit vielen Jahren erfolgreichen und bewährten Strukturen eingeschränkt zu werden.


Jörg Faulhaber¹, Christian Raulin²

¹ Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Mannheim, Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68161 Mannheim

² MVZ Dres. Raulin GmbH, Kaiserstraße 104, 76133 Karlsruhe

 

 

Aktuelle Herausforderungen

Plastisch-ästhetische Zentren, insbesondere solche mit größeren Praxisstrukturen und mit einem hohen Anteil an Privatpatienten, Selbstzahlern und Wunschleistungspatienten, sehen sich unter anderem wegen der anstehenden GOÄ- Novelle oder u.a. auch der BGH-Entscheidung vom 13.6.2024 (III ZR 279/23) zu der Liposuktion mit komplexen wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen konfrontiert. Die Patienten erwarten eine exzellente Behandlungsqualität und exklusive Betreuung, während steigende Kosten und zunehmende Bürokratie den Praxisalltag belasten. Der zunehmende administrative Aufwand lässt weniger Raum für die eigentliche ärztliche Tätigkeit als erwünscht. Die zunehmend schwierige Personalsituation im Gesundheitswesen, die Notwendigkeit der Compliance mit neuen rechtlichen Vorgaben aber auch der zunehmende Wettbewerbsdruck, katalysiert durch den zunehmenden enormen Einfluss von Social Media aber auch von KI, machen es vielen Praxen immer schwerer, weiterhin, auf die Zukunft betrachtet, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Für Praxisinhaber, die über eine Übergabe nachdenken, ist es wichtig, diese Rahmenbedingungen genau zu analysieren und kreative Lösungen zu finden, die nicht nur die Work-Life-Balance von Mitarbeitern optimiert, sondern auch die auch die eigene „Life-Work-Balance“ in ein besseres Gleichgewicht bringt.

 

Bürokratie und Digitalisierung

Die zunehmende Digitalisierung, obwohl sie zur Effizienzsteigerung eigentlich gedacht ist, führt leider vielfach zu zusätzlichen Belastungen. Dies umfasst etwa die IT-Betreuung, die Anschaffung von Software und Hardware sowie regelmäßige Updates zur Sicherstellung des Datenschutzes. Die Einführung neuer Standards und Vorschriften wie der elektronischen Gesundheitskarte bedeutet meistens ein mehr an Verwaltungsaufwand. Für Ärztinnen und Ärzte, die sich auf ästhetische Eingriffe konzentrieren, sind neue digitale Kommunikationskanäle wie Telemedizin-Optionen hingegen Chancen, um das Patientenaufkommen effizienter zu steuern. Doch auch dies bedarf einer sorgfältigen Integration in den Praxisalltag, um die Balance zwischen Patientenorientierung und administrativen Anforderungen zu wahren.

 

Zusätzliche Maßnahmen wie die Einführung der Telematik-Infrastruktur und der elektronischen Gesundheitskarte, die die Verwaltung erleichtern sollten, führen in der Praxis häufig zu noch mehr Bürokratie. Sogar vermeintlich einfache Vorgaben wie Brandschutzübungen müssen mittlerweile in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr durchgeführt werden. Hinzu kommen ständig neue rechtliche Regelungen, wie etwa die Anpassung der KV-Notdienste nach einem Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel, verpflichtende Arbeitszeiterfassungen nach EU-Recht, umfassende Arbeitsschutzprüfungen sowie betriebsärztliche Untersuchungen.

 

Demographische Entwicklung   

Auch in der ästhetischen Medizin ist der demografische Wandel spürbar. Viele Praxen werden von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten geführt, die über Jahrzehnte hinweg durch Know-how und Charisma einen festen Patientenstamm aufgebaut haben. Insbesondere der Fachkräftemangel aber auch die steigende Nachfrage nach Teilzeitmodellen, besonders bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen, stellen eine gewaltige Herausforderung für eine Nachfolgeregelung dar. Der Wunsch der Selbstständigkeit ist nicht mehr das primäre Ziel und wohl meist auch nicht mehr zeitgemäß, zumal auch in angestellter Beschäftigung heutzutage vergleichsweise sehr hohe Gehälter realisiert werden können. So wird es zunehmend schwieriger, geeignete Nachfolger zu finden, die bereit sind, den hohen Arbeitsaufwand und gleichzeitig auch die Risiken einer eigenständigen Praxis zu übernehmen, was die Attraktivität von Investorenmodellen erhöht.

 

Investoren und Unterschiede

Kolleginnen und Kollegen, die über eine Praxisabgabe nachdenken, sollten die Angebote der Investoren sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass das ärztliche Ethos und die hohen eigenen Ansprüche an die Patientenversorgung gewahrt bleiben. Unterschiedliche Investoren haben verschiedene Herangehensweisen. Es ist von essenzieller Bedeutung, die Unterschiede zwischen den einzelnen Investoren genau zu verstehen und sicherzustellen, dass ethische ärztliche Werte und eine mitarbeiterorientierte Unternehmensführung auch nach dem Verkauf gewahrt bleiben. Die Ansätze der Investoren variieren erheblich, insbesondere im Hinblick auf den zukünftigen Umgang mit den Ärzten und dem nichtärztlichen Personal sowie bei der Gestaltung der Verkaufsmodalitäten. Für Praxisinhaber, die eine Übergabe in Betracht ziehen, besteht die zentrale Herausforderung darin, sicherzustellen, dass die Bedingungen fair sind und die zukünftigen Veränderungen im Rahmen der Vertragsgestaltung vollständig nachvollzogen werden können. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit sollte darauf abzielen, sowohl die beruflichen als auch die persönlichen Ziele des Verkäufers zu berücksichtigen. Zudem können durch eine intensivierte Zusammenarbeit von plastisch-chirurgischen Praxen mit dermatologischen Praxen aus dem Verbund und dem dadurch resultierenden kollegialen Austausch untereinander positive Synergien erwartet werden.

Abb. 1: Befragung zur Arbeitsmotivation in Deutschland.

Verkaufsprozess, Ansprechpartner und Zukunft

Der Verkauf an Investoren bietet die Möglichkeit, dem Lebenswerk angemessene   Verkaufserlöse zu erzielen und gleichzeitig zeitraubende administrative Aufgaben abzugeben. Investoren können durch die Bündelung ihrer Ressourcen nachhaltig administrative und organisatorische Entlastungen schaffen, sodass sich die Ärztinnen und Ärzte auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Für Praxisinhaber, die auch nach dem Verkauf auch nach dem dreijährigen Übergang weiterhin in der Praxis tätig sein wollen, bieten sich zahlreiche flexible Modelle an, in denen sie ihre Tätigkeit in vollem oder reduziertem Umfang fortsetzen oder spannende neue Führungs- oder Koordinationsaufgaben innerhalb des Netzwerks übernehmen können. Diese Optionen machen einen Verkauf für viele attraktiv, da sie berufliche Flexibilität bieten und gleichzeitig eine gesicherte finanzielle Grundlage schaffen. Ein Verkauf bedeutet somit auch nach den drei Jahren des Übergangs nicht ein Ende der beruflichen Tätigkeit, sondern eröffnet im Gegenteil die Möglichkeit, weiterhin freier ärztlich oder organisatorisch zu agieren, ohne den gewaltigen Druck, für alles in der Praxis verantwortlich zu sein. Eine professionelle Begleitung des Verkaufsprozesses ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden. Dies umfasst nicht nur die Vertragsverhandlungen, sondern auch die Sicherstellung der langfristigen Patientenbindung und die Integration in bestehende Strukturen. Erfahrene Ansprechpartner auf Seiten der Investoren erleichtern die Gespräche und Verhandlungen in Bezug auf die spezifischen Bedürfnisse insbesondere von größeren Praxen. Ein Verkauf an mehrere Nachfolgerinnen und Nachfolger ist vielfach in Anbetracht der unterschiedlichen Auffassungen und unüberbrückbarer Schwierigkeiten der beteiligten Parteien nahezu unmöglich.

 

Fazit

Der Verkauf einer plastischen-ästhetischen Praxis an Investoren kann eine strategisch sinnvolle Entscheidung sein, die zahlreiche Vorteile bietet. Es ist jedoch wichtig, die individuellen Lebenspläne und die Zukunftsperspektiven der Praxis genau zu prüfen, um die bestmögliche maßgeschneiderte Lösung zu finden. Die Zusammenarbeit mit darauf ausgerichteten Anwaltskanzleien und der offene Austausch mit Kollegen, die ähnliche Entscheidungen getroffen haben, sind in diesem Prozess wertvolle Unterstützung. Die Investorenpräsenz in der Gesundheitsbranche wird wahrscheinlich weiterhin zunehmen, und dies sollte als eine zusätzliche Alternative und gleichzeitig auch Chance betrachtet werden, um die berufliche und persönliche Zukunft proaktiv gestalten zu können.

 

Korrespondenz-Adresse

Prof. Dr. med. habil. Christian Raulin
MVZ Dres. Raulin GmbH
Kaiserstraße 104
DE-76133 Karlsruhe
info@raulin-und-kollegen.de

Conflict of Interests

Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen und dass kein Interessenkonflikt besteht. Prof. Dr. Jörg Faulhaber war von 2020 – 2022 Teil der Corius Gruppe. Prof. Christian Raulin ist gemeinsam mit Dr. Sabine Raulin Leiter des 2005 gegründeten MVZ Dres. Raulin und seit 2023 Teil der Medermis Clinics Gruppe. Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

1. Bundesärztekammer (2023): Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2022. https://www.bundesaerztekammer.de/baek/ueber-uns/aerztestatistik/2022.
2. Kassenärztliche Bundesvereinigung (2023): Entwicklung der Medizinische Versorgungszentren, Statistische Informationen zum Stichtag 31.12.2022. https://www.kbv.de/media/sp/mvz_entwicklungen.pdf.
3. Beerheide R (2023): Umfrage: Schlechte Stimmung in Praxen. Dtsch Arztebl 120 (50): A-2129/B-1809.

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