Übersichtsarbeit
Niklas Iblher
Mythos „partikelfreie“ Hyaluronsäure-Filler
Myth „particle free“ hyaluronic acid
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Keywords
calibration, efficacy, Filler, Hyaluronic acid, myths, particle, particulate
Schlüsselworte
Filler, Hyaluronsäure, Kalibrierung, Mythen, Partikel, partikulär, Wirksamkeit
Summary
Hyaluronic acid fillers have different clinical properties. Several scientifically unsubstantiated allegations exist within the field of hyaluronic acid fillers. According to one supposition, there are some hyaluronic acid fillers of particulate and others of particle-free nature. Furthermore, different clinical properties are attributed to the products based on this classification. Employing literature research and analysis, this publication describes the general composition of hyaluronic acid fillers. Based on microscopic examinations, the myth of particle-free hyaluronic acid fillers can be disproven. All hyaluronic acid fillers are of particulate nature. For guidance in choosing the most appropriate filler, users should draw on relevant clinical evidence regarding efficacy and safety of a product.
Zusammenfassung
Hyaluronsäure-Filler besitzen unterschiedliche klinische Eigenschaften. Es existieren verschiedene wissenschaftlich nicht belegte Behauptungen im Bereich der Hyaluronsäure-Filler. Eine Annahme ist, dass es Hyaluronsäure-Filler partikulärer und nicht-partikulärer Natur gäbe. Anhand dieser Klassifikation werden den Produkten zudem unterschiedliche klinische Eigenschaften zugeschrieben. Mittels einer Literaturrecherche und -analyse beschreibt diese Publikation den allgemeinen Aufbau von Hyaluronsäure-Fillern. Basierend auf mikroskopischen Untersuchungen wird der Mythos von partikelfreien Hyaluronsäure-Fillern widerlegt. Alle Hyaluronsäure-Filler sind partikulärer Natur. Anwender sollten daher als wichtigste Entscheidungshilfe für die Wahl des jeweils geeignetsten Fillers auf die einschlägige klinische Studienlage zur Wirksamkeit und Sicherheit des Produktes zurückgreifen.
Niklas Iblher 1 und Erol Berber 2
- ACREDIS Spezialzentren für Gesichts- und Nasenchirurgie in Basel und Freiburg
2. Galderma Laboratorium GmbH, Düsseldorf
Einleitung
In der ästhetischen Dermatologie gelten Filler basierend auf Hyaluronsäure aufgrund ihres allgemein sehr guten Wirksamkeits- und Sicherheitsprofils als erste Wahl unter den Füllsubstanzen [1, 2]. Die auf dem Markt verfügbaren Hyaluronsäure-Filler unterscheiden sich in ihren klinischen Eigenschaften [3]. Trotz der weit verbreiteten Anwendung im Markt sind Anwender jedoch häufig nicht mit den wichtigsten Herstellungsparametern sowie den daraus resultierenden rheologischen und klinischen Eigenschaften vertraut. Diese Unkenntnis bietet Freiraum für die Verbreitung von Mythen über Hyaluronsäure-Filler, die auch Einzug in die aktuelle wissenschaftliche Literatur gefunden haben [4-8]. Mythen über Hyaluronsäure-Filler erschweren dem Anwender die Auswahl von Füllsubstanzen basierend auf deren klinischen Eigenschaften. Die richtige Produktwahl ist jedoch entscheidend, um bestmögliche Ergebnisse und eine hohe Patientenzufriedenheit zu erzielen. Eine dieser Annahmen besagt, dass einige Hyaluronsäure-Filler aus Hyaluronsäure-Partikeln bestünden und andere wiederum nicht-partikulärer Natur seien [4-8]. Basierend auf dieser Kategorisierung seien partikuläre Hyaluronsäure-Filler mit negativen Eigenschaften assoziiert [8].
Ziel dieses Artikels ist es, anhand der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage zu untersuchen, ob es sich hierbei um einen Mythos handelt, sowie den Aufbau von Hyaluronsäure-Fillern zu beschreiben. Außerdem soll dem Anwender aufgezeigt werden, wie er die klinische Wirksamkeit und Sicherheit eines Hyaluronsäure-Fillers ableiten kann.
Methoden
Es wurde eine systematische Literaturrecherche in der Datenbank PubMed durchgeführt.
Dabei wurde nach den Begriffkombinationen „hyaluronic acid filler science”, „hyaluronic acid filler particle”, „hyaluronic acid filler calibration” und „hyaluronic acid filler myth“ gesucht. Es wurden alle Artikel, die bis einschließlich 04. Dezember 2015 veröffentlicht wurden, in der nachfolgenden Analyse berücksichtigt. Darüber hinaus wurden zur visuellen Veranschaulichung des Aufbaus von Hyaluronsäure-Fillern eine Posterpublikation von Öhrlund und Kollegen [9], sowie Ergebnisse von analogen Laboruntersuchungen zu weiteren Hyaluronsäure-Fillern, bereitgestellt durch Galderma Laboratorium GmbH, herangezogen [10].
Ergebnisse
Insgesamt wurden 64 Publikationen anhand der Suchkriterien gefunden. Die wesentlichen Herstellungsschritte ließen sich anhand von 4 Publikationen [3, 11-13] zu unterschiedlichen wissenschaftlichen Fragestellungen bezüglich Hyaluronsäure-Fillern, sowie der Posterpublikation [9] und Laboruntersuchungen [10] zusammenfassen. Hyaluronsäure-Filler können sich in verschiedenen Parametern unterscheiden, die die klinischen Eigenschaften beeinflussen, wie beispielsweise Hyaluronsäure-Konzentration, Vernetzungsgrad und Partikelgröße [3, 11].
Die Herstellung der Hyaluronsäure-Gele erfolgt allgemein in mehreren Schritten. Zunächst wird native Hyaluronsäure aus speziellen Bakterienkulturen gewonnen und aufgereinigt. Das Ausgangsmaterial ist getrocknetes Hyaluronsäure-Pulver, das nach Lösen in gereinigtem Wasser eine viskose Konsistenz annimmt, ähnlich der von flüssigem Eiweiß [11]. Mittels eines synthetischen Vernetzers wie beispielsweise BDDE (1,4-Butandioldiglycidylether) wird die Hyaluronsäure anschließend quervernetzt (Abb. 1). Dabei werden einzelne Hyaluronsäure-Ketten miteinander irreversibel verbunden, so dass sich ein Polymer-Netzwerk bildet [11]. Die Quervernetzung erhöht zum einen die Haltbarkeit im Gewebe, da das Netzwerk einen erhöhten Widerstand gegen Abbau durch Enzyme und freie Radikale aufweist. Zum anderen vermittelt die Quervernetzung mechanische Eigenschaften, wie zum Beispiel die Fähigkeit, Falten anheben zu können (Hebekapazität) [11].
Nach Quervernetzung liegt das Hyaluronsäure-Gel somit als ein zusammenhängendes, festes Gelstück vor (Abb. 1). Quervernetzte Hyaluronsäure ist im Vergleich zu nativer Hyaluronsäure nicht fließfähig. Im nächsten Herstellungsschritt erfolgt daher die mechanische Zerkleinerung des Gelstückes in Partikel, bevor es in Spritzen abgefüllt werden kann. Jeder Hyaluronsäure-Filler muss daher aus Hyaluronsäure-Partikeln aufgebaut sein [11-13].
Unterschiedliche Herstellungsverfahren führen dazu, dass die Partikelgröße und Größenverteilung von Hyaluronsäure-Filler Produkten variiert. Nicht-animalische stabilisierte Hyaluronsäure-Filler (Restylane®) werden mittels „Siebeverfahren“ in Partikel zerkleinert. Dabei wird das Gelstück durch ein Sieb gepresst [11, 13], so dass Partikel von einheitlicher Größe entstehen (Abb. 2). Je nach Produkt kommen Siebe unterschiedlicher Porengröße zum Einsatz, um die Partikelgröße einzustellen (Kalibrierung). Dies beeinflusst die empfohlene Injektionstiefe und Hebekapazität des Fillers [11]. Andere Hyaluronsäure-Filler (z.B. Juvéderm®, Belotero®, Teosyal®) zeigen eine heterogene Partikelgrößenverteilung pro Produkt. Das jeweilige Herstellungsverfahren beinhaltet sogenannte “Homogenisierungsverfahren”, die zu einer sehr breiten Partikelgrößenverteilung pro Produkt führen [3, 11, 13]. Anhand der Unterschiede zur Partikelgrößenverteilung lässt sich jedoch das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil verschiedener Hyaluronsäure-Filler nicht ableiten.
Einige der recherchierten Arbeiten umfassen Experimente, deren Ergebnisse mikroskopische Bilder von Hyaluronsäure-Fillern beinhalten. Diese Bilder stellen einheitlich die partikuläre Natur von Hyaluronsäure-Filler-Produkten verschiedener Hersteller dar [9, 10, 12, 13], entgegen der Angabe verschiedener Publikationen, bestimmte Hyaluronsäure-Gele seien frei von Partikeln [4-8]. In der Poster-Publikation von Öhrlund und Kollegen [9] werden verschiedene Hyaluronsäure-Filler bezüglich der vermuteten, gemeinsamen partikulären Natur mit unterschiedlichen experimentellen Methoden untersucht. Bei der mikroskopischen Analyse wurden die Gele zunächst entsprechend aufbereitet, da die Hyaluronsäure-Partikel aufgrund ihrer Größe und der lückenlosen Anordnung in der Spritze nicht sichtbar sind. Zur Visualisierung der Partikel wurden jeweils 10 ml gereinigtes Wasser und 50 µl einer 0,1% Toluidinblau-Lösung zu 0,5 g Hyaluronsäure-Gel hinzugegeben und für 30 min inkubiert. Durch das hinzugegebene Wasser sind die Hyaluronsäure-Partikel der Gele maximal aufgequollen und auseinander gedriftet. Der Farbstoff Toluidinblau färbt die einzelnen durchsichtigen Hyaluronsäure-Partikel blau an. Danach wurden die Präparate im jeweils gleichen mikroskopischen Vergrößerungsmaßstab (10x) fotografiert [9]. Das gleiche experimentelle Verfahren wurde für weitere Hyaluronsäure-Filler-Produkte durchgeführt [10]. Die Ergebnisse der mikroskopischen Laboranalysen demonstrieren die partikuläre Natur aller untersuchten Hyaluronsäure-Filler (Abb. 3) [9, 10].
Schlussfolgerungen
Alle Hyaluronsäure-Filler sind aus Hyaluronsäure-Gelpartikeln aufgebaut [3, 9-13]. Diese Veröffentlichung widerlegt somit den Mythos von partikelfreien Hyaluronsäure-Fillern. Unterschiedliche Herstellungsverfahren führen dazu, dass sich Hyaluronsäure-Partikel verschiedener Filler in Bezug auf die Größe und Größenverteilung pro Produkt unterscheiden. Eine Differenzierung in partikuläre und nicht partikuläre Hyaluronsäure-Filler ist daher wissenschaftlich nicht korrekt und irreführend für den Anwender. Die mikroskopischen Beobachtungen zur Partikelgrößenverteilung verschiedener Hyaluronsäure-Filler lassen keine direkten Rückschlüsse über die Wirksamkeit und Sicherheit eines Hyaluronsäure-Fillers zu. Zur Steigerung der Transparenz für den Anwender sollten daher irreführende Vergleiche bezüglich der partikulären Natur von Hyaluronsäure-Fillern vermieden werden. Anwender sollten sich bei der Auswahl von Füllsubstanzen an den Ergebnissen klinischer Studien mit hoher Evidenzklasse orientieren, um die jeweiligen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofile ableiten zu können.
Korrespondenz-Adresse
Priv. Doz. Dr. Med. Niklas Iblher
Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie
ACREDIS Spezialzentrum für Gesichts- und Nasenchirurgie
Bismarckallee 17
79098 Freiburg
E-Mail: dribl@web.de
Literatur
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