Übersichtsarbeit
Christian Raulin
Zukunft der Arztpraxen und Praxisübergaben – quo vadis? Was steht hinter dem MVZ-Regulierungsgesetz – cui bono?
Future of medical practices and practice transfers - quo vadis? What is behind the MVZ Regulation Law - cui bono?
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Der vorliegende Gesetzentwurf zielt auf positive Veränderungen ab. Er strebt nach Transparenz bezüglich der Eigentumsstrukturen, der Prävention einer lokalen Monopolstellung durch einen einzelnen Betreiber, der Stärkung der ärztlichen Unabhängigkeit sowie der Gewährleistung einer anhaltend hohen Qualität in der Patientenversorgung. Diese Ziele sind unbestritten von großem Wert. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass durch das sogenannte „MVZ-Regulierungsgesetz“ die durchaus berechtigten Ängste von Praxisinhabern und Patienten, wie es im Gesundheitssystem geordnet und strukturiert weitergehen soll, von den politischen Verantwortlichen instrumentalisiert werden, um vom eigenen Versagen und der Perspektivlosigkeit abzulenken.
In der Realität stellt sich die Situation nämlich völlig anders dar. Ältere Fachärzte, die ihre Praxis abgeben möchten, finden keine geeigneten Nachfolger mehr, nicht nur in strukturschwachen und unattraktiven Standorten, sondern auch in Großstädten und Ballungszentren. Es ist daher unrealistisch und fantasielos anzunehmen, dass die klassische Form der Praxisweitergabe und die damit verbundene Altersversorgung in der heutigen Zeit noch funktionieren.
Heutzutage haben junge Ärzte, die sich niederlassen möchten, mehr Möglichkeiten als je zuvor, eine bestehende Praxis zu übernehmen oder vorübergehend als Juniorpartner einzusteigen. Allerdings wird dies immer seltener genutzt, da bürokratische Hürden, Reglementierungen, Budgetierung und finanzielle Risiken den Weg erschweren. Zudem sind die Mehrheit der Medizinstudierenden und jungen Ärzte weiblich und haben andere Vorstellungen vom Leben als die älteren Praxisinhaber.
Somit ist es problematisch, dass die Gesetzgebung eine generell kritische Einstellung gegenüber Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) einnimmt, insbesondere gegenüber solchen, die professionell geführt werden. Diese Position übersieht die vielfältigen Vorteile, die aus dieser Organisationsform resultieren, sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten. Hierzu gehören administrative Entlastung der Ärzte, fachliche Spezialisierung innerhalb eines MVZ (was zu einem breiteren Angebot „unter einem Dach“ führt), erweiterte Öffnungszeiten und Einkaufsvorteile innerhalb eines Netzwerks. Zudem entscheiden sich immer mehr junge Mediziner für diese Form der Arbeit, da sie im Vergleich zur Führung einer eigenen Praxis als moderner und weniger risikobehaftet angesehen wird. Eine existentielle Herausforderung für die Zukunft wird zudem die künftige Bewältigung der zu erwartenden Personalprobleme sein.
Wenn beispielsweise die Forderung eines räumlichen und fachlichen Bezugs eines MVZ zu seinem Trägerkrankenhaus durchgesetzt würde, könnten viele professionelle Betreiber nicht mehr neue MVZs gründen oder übernehmen. Sie wären dann nicht mehr in der Lage, rechtliche Eigentümer des MVZ zu sein. Die Trägerschaft von MVZs wäre dann im Wesentlichen auf Ärzte, die letztendlich auch nicht unlimitiert über das Rentenalter hinaus arbeiten möchten bzw. sollten oder auf Anbindungen an im Umkreis befindliche Kliniken beschränkt. Dies würde relevante Versorgungsstrukturen
Wenn als Folge des geplanten Regulierungsgesetztes beispielsweise die Forderung eines räumlichen und fachlichen Bezugs eines MVZ zu seinem Trägerkrankenhaus durchgesetzt würde, könnten viele professionelle Betreiber nicht mehr neue MVZs gründen oder übernehmen. Sie wären dann nicht mehr in der Lage, rechtliche Eigentümer des MVZ zu sein. Die Trägerschaft von MVZs wäre dann im Wesentlichen auf Ärzte, die letztendlich auch nicht unlimitiert über das Rentenalter hinaus arbeiten möchten bzw. sollten oder auf Anbindungen an im Umkreis befindliche Kliniken beschränkt. Dies würde systemrelevante Versorgungsstrukturen bedrohen, insbesondere angesichts des erheblichen Kapitalbedarfs in einigen Facharztbereichen aufgrund des fortgesetzten medizinischen Fortschritts.
Darüber hinaus soll durch das Regulierungsgesetz der übliche Weg zur Überführung eines Kassensitzes in ein MVZ, die sogenannte „Einbringung zu Gunsten einer Anstellung“, unterbunden werden. Dies würde bedeuten, dass Ärzte, die ihre Praxis abgeben möchten, ihren Kassensitz ausschließlich durch eine Ausschreibung über den Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung abgeben könnten, was ein hohes Maß an Unsicherheit für die Praxisabgeber birgt.
Im Klartext heißt das, dass der Zulassungsausschuss und nicht der/die bisherige Inhaber/in der Praxis bestimmen kann, wer der geeignete Nachfolger der Praxis wird! Darüberhinaus wird auch der Abgabepreis, sofern mehrere Interessenten dafür vorhanden sind, durch den Zulassungsausschuss festgesetzt!
Bei einer Praxisübergabe ist es von großer Bedeutung, die Unterschiede zwischen potenziellen Investoren in wesentlichen Aspekten sorgfältig zu prüfen. Dabei sollte man nicht nur den Kaufpreis und die Auszahlungsmodalitäten im Blick haben, sondern vor allem Wert auf eine positive Kooperationsphilosophie und ein kollegiales Führungsmodell legen.
Es ist ebenso wichtig sicherzustellen, dass in der Praxis auch nach der Übergabe eigenverantwortliches und unternehmerisches Denken akzeptiert und gefördert wird. Statt Entscheidungen von oben herab zu treffen, sollte ein Ansatz gewählt werden, der die lokalen Gegebenheiten und individuellen Erfolgsgeheimnisse der Praxis berücksichtigt. Rigide und unpersönliche Unternehmensstandards würden unweigerlich dazu führen, dass die bisherigen Praxisinhaber und Mitarbeiter sich entfremdet fühlen und die individuellen Stärken und Erfolgsfaktoren der Praxis vernachlässigt werden.
Bei der Auswahl von Investoren für eine Praxisübergabe ist es daher entscheidend, nicht nur auf finanzielle Aspekte zu achten, sondern auch auf eine positive Kooperationskultur, medizinisches Fachwissen und ein unterstützendes Führungsmodell.
Insgesamt besteht die ernste Sorge, dass durch das MVZ-Regulierungsgesetz die z.T. gut gemeinten Aspekte der politisch Verantwortlichen unerwünschte unkalkulierbare Folgen haben werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Legislative mit Besonnenheit und Maß vorgeht, um ausschließlich die positiven Aspekte des Gesetzentwurfs umzusetzen. Es geht die dringende Empfehlung an die Gesetzgebung, strukturiert und vorausschauend und nicht kontraproduktiv zu handeln, um nicht die eigentlichen Ziele, zum Wohle aller Beteiligten und insbesondere der Patienten, zu konterkarieren.
Korrespondenz-Adresse
Prof. Dr. med. Christian Raulin MVZ Dres. Raulin und Kollegen GmbH Kaiserstraße 104 DE-76133 Karlsruhe E-Mail info@raulin-und-kollegen.de
Conflict of Interests
Der Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließ und dass kein Interessenkonflikt besteht. Prof. C. Raulin leitet gemeinsam mit seiner Ehefrau Dr. S. Raulin das 2005 gegründete MVZ Dres. Raulin GmbH in Karlsruhe und ist seit 2023 im Verbund