Update – Klinische Anatomie

Aufgrund zahlreicher neuer Erkenntnisse im Bereich der Gesichtsanatomie soll im Folgenden ein kurzes Update über fünf relevante Regionen erfolgen. Die Regio temporalis lässt sich in neun verschiedene Schichten unterteilen und weicht dadurch deutlich vom allgemeinen fünfschichtigen Aufbau des Gesichtes ab. Verfolgt man die fünf Schichten der Kopfhaut weiter in die Schläfe, so findet man, dass die Galea aponeurotica (Schicht 3) durchgängig ist und in der Schläfe den Namen Fascia temporalis superficialis trägt. Das Periosteum des Schädelknochens ändert seinen Namen im Bereich der Schläfe ebenfalls und trägt hier den Namen Fascia temporalis profunda. Letztere teilt sich ca. 3 cm kranial des Jochbogens in 2 Laminae (superficialis et profunda) auf und diese umschließen ihrerseits den superfiziellen temporalen Fettkörper. Dieser Fettkörper ist klar vom tiefen temporalen Fettkörper getrennt, welcher nichts anders als der temporale Ausläufer des Bichat’schen Fettkörpers ist und mit dem Wangenfettpfropf in Verbindung steht. Der Schädelknochen im Bereich der Schläfe ist am Punkt des Pterions mit einer minimalen Dicke von 1,9 mm verhältnismäßig dünn. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass es in gewissen Fällen bereits ab einer applizierten Kraft von 4 kg mittels einer stumpfen Kanüle (18G) zur Penetration des Knochens kommen kann.

 

Vene ist mediale Begrenzung des SOOF

Präparationen an FreshFrozen Präparaten und Kontrastmittel basierte computertomografische Untersuchungen mit Füllung der V. angularis zeigen, dass die Vene die mediale Begrenzung des Sub Orbicularis Oculi Fettkompartiments (SOOF) bildet und dass die Vene im Bereich des medialen Augenwinkels in einem Abstand von 3 – 5 mm zur Orbitakante verläuft. In diesem Intervall liegt der M. orbicularis oculi direkt dem Knochen auf, was klinisch als Tränenrinne verstanden wird. Die Vene verläuft hierbei inferior zur Tränenrinne und ist nicht verantwortlich für deren bläuliche Verfärbung.

 

Betrachtet man das subkutane Arrangement der Regio oralis im Vergleich zur Regio buccalis, so stellt man fest, dass die Wange eine klar abgrenzbare subkutane Fettschicht (Schicht 2) hat. Im Bereich der Regio oralis hingegen, wird diese Schicht von mimischen Muskelfasern durchzogen, die in die Haut einstrahlen. Der Übergang zwischen diesen beiden Typen des subkutanen Arrangements (mit und ohne muskuläre Einstrahlung in die Haut) erfolgt am nasolabialen, sowie am labiomandibulären Sulcus. Die angrenzenden subkutanen Fettkompartimente werden daher von der darüber liegenden Haut und von den darunter liegenden mimischen Muskeln eingeschlossen. Dadurch kann es im Laufe des Alterungsprozesses im Bereich der beiden Sulci zu einem „Überhang“ der jeweiligen Fettkompartimente in die beiden Falten hinein kommen, was als klinische Vertiefung des jeweiligen Sulcus imponieren kann.

 

Das Ende des Sulcus labiomandibularis wird durch das horizontal verlaufende Ligamentum mandibulare gebildet. Dieses Band erstreckt sich vom Knochen bis in die Haut und dessen Lage kann daher klinisch einfach identifiziert werden. Die bei manchen Menschen beobachtbaren „Hamsterbäckchen“ sind im Regelfall immer occipital des Ligamentum mandibulare und rostral des mandibulären Anheftungspunktes des M. masseter festzustellen. Von großer Bedeutung ist klinisch, dass innerhalb dieser Hamsterbäckchen die A. und V. facialis die Mandibula kreuzen.

 

Verfolgt man die A. facialis in Richtung der Lippen, so kann man einen sehr variantenreichen Verlauf der beiden Äste A. labialis superior et inferior feststellen. In Relation zum M. orbicularis oris können die beiden Gefäße entweder submukös (zwischen Muskel und Schleimhaut) in 78,1 % der Fälle oder intramuskulär (zwischen den beiden Schichten des Muskels) in 17,5 % der Fälle oder subkutan (zwischen Haut und Muskel) in 1,7 % der Fälle verlaufen. Ein Wechsel der Schicht ist allerdings in 26,9% innerhalb der Oberlippe und 30,6 % im Bereich der Unterlippe nachzuweisen.

 

Die Beachtung dieser neuen Erkenntnisse aus der anatomischen Forschung könnten zu einer Reduktion der Komplikationsrate am Patienten führen, sowie zu einer größeren Sicherheit dabei dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin.

 

Korrespondenzadresse:
Dr.med. Sebastian Cotofana
Department of Anatomy
Ross University School of Medicine
Roseau, Commonwealth of Dominica
sebastiancotofana(at)rossu.edu

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