Zwischen den Graden der Medizin und Kosmetik – Faltenunterspritzung durch eine Kosmetikerin

Das Streben nach Schönheit ist ein ursprüngliches Bedürfnis der Menschheit. Die kosmetische Industrie bietet eine nahezu unüberschaubare Fülle von Möglichkeiten zum Erhalt und zur Verschönerung des Erscheinungsbildes. Die Hoffnung auf mehr Anerkennung und Erfolg im Privat- und Berufsleben durch ein jugendliches, „besseres” Aussehen lässt den Schönheitsmarkt derzeit boomen wie nie zuvor. In gleichem Maße drängen Behandler auf diesen Markt, die keinen medizinischen Hintergrund aufweisen. Die Grenzziehung zwischen den Aufgaben in der kosmetischen Disziplin und den ästhetisch motivierten Tätigkeiten in der Heilkunde erlangt daher eine besondere Bedeutung.

Wie aber unterscheidet sich eine konventionelle Kosmetik von einem ärztlichen Eingriff in die körperliche Integrität zum primären Zweck der Schönheit? Im Gegensatz zu einer Dampf-, Massage- oder Peelingbehandlung sind invasive Eingriffe mit Spritze, Skalpell oder Laser mit gesundheitlichen Risiken behaftet. Nervenschädigungen, Infektionen, Schwellungen oder Blutungen zählen zu den häufigsten medizinischen Folgen bei der Faltenbehandlung mittels minimal-invasiver Verfahren. Und gerade das Aufspritzen von Falten mit Hyaluronsäure oder Botulinumtoxin (sog. Liquid Faceliftings) birgt ein nicht unerhebliches Risiko für die Patienten, denn nur die Beherrschung von professionellen Injektionstechniken auf der Basis einer fundierten Kenntnis der Gesichtsanatomie ermöglichen ein gutes Ergebnis ohne gesundheitliche Risiken.

In einer rechtskräftigen Entscheidung hat das OLG Karlsruhe am 17.02.2012 zu diesem Thema Stellung bezogen (Az.: 4 U 197/11).

Sachverhalt

Im Streit steht ein Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 1 HPG. Die Klägerin betreibt in der Schweiz in Grenznähe zu Deutschland ein „Kompetenzzentrum für ästhetische Medizin“ und führt dort unter anderem Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäure durch. Die beklagte Kosmetikerin betreibt in räumlicher Nähe in Deutschland zwei Kosmetiksalons, in denen sie ebenfalls Faltenunterspritzungen unter Verwendung dieser Säure durchführt. Der Beklagten soll untersagt werden, ohne behördliche Erlaubnis Faltenunterspritzungen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen oder botulinumtoxinhaltigen Präparaten durchzuführen oder solche Behandlungen anzubieten und zu bewerben.
Nachdem zunächst eine entsprechende einstweilige Verfügung erging, hat das LG Konstanz nach dem Widerspruch der Kosmetikerin sodann mit Urteil vom 5. August 2011 die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass zurückgewiesen (Az.: 8 O 22/11). Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klägerin habe für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend glaubhaft gemacht, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten zu stehen. Ebenfalls sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, dass es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um eine erlaubnispflichtige medizinische Tätigkeit handele und somit ein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz vorliege.
Mit der Berufung verfolgt die schweizerische Klägerin die begehrte Unterlassung vor dem OLG Karlsruhe weiter. Das Landgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Insbesondere lägen die Geschäftssitze der Parteien in einer „einheitlichen Wirtschaftszone“. Weiter würden Faltenunterspritzungen – egal mit welchem Material – aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in den Körper mit erheblichem Gefährdungspotenzial eindeutig dem Heilpraktiker-Vorbehalt unterliegen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.


Entscheidung

Die Berufung der schweizerischen Klägerin hat Erfolg, soweit sie die Unterlassung von Faltenunterspritzungen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten betrifft. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Das beanstandete Faltenunterspritzen unter Verwendung von hyaluronsäurehaltigen Präparaten stellt eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 HPG dar. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor unberufenen Heilbehandlern zu schützen. Eine Ausübung der Heilkunde liegt stets dann vor, wenn die Tätigkeit ärztliche bzw. medizinische Fachkenntnisse erfordert und die Behandlung – bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit – gesundheitliche Schädigungen verursachen kann. Allerdings reicht ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht aus, um die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 HPG auszulösen.
Die Tätigkeit des Faltenunterspritzens mit einer Spritze, die in ein Gerät eingepasst wird, sodass dann eine Spitze von ca. 1 cm aus diesem Gerät herausschaut, sowie einer anderen Spritze für die Augenpartie mit einer Metallspitze von ca. 3 mm, birgt die Gefahr nicht unbeträchtlicher gesundheitlicher Schädigungen und kann daher nicht vernachlässigt werden.
Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut erfordert neben dem gebotenen notwendigen allgemeinen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen auch zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen. Es kommt hinzu, dass sich selbst für einen Laien bei schlichter Betrachtung des Vorgangs der Faltenunterspritzung die Notwendigkeit dermatologischer Kenntnisse aufdrängt. Da es sich um das Einbringen dauerhafter Implantate in die Gesichtshaut handelt, muss sowohl die zu füllende Hautschicht fachkundig ermittelt und getroffen als auch die Unbedenklichkeit des zu verwendenden Implantats beurteilt werden.
Dagegen ist die begehrte Unterlassung von Faltenunterspritzungen unter Verwendung von botulinumtoxinhaltigen Präparaten nicht begründet. Die schweizerische Klägerin konnte ihre diesbezüglichen Darlegungen nicht substanziieren, sodass der Klage insoweit kein Erfolg beschieden werden konnte.
Im Übrigen stand der länderübergreifende Aspekt des Wettbewerbsrechts der Entscheidung durch das OLG Karlsruhe nicht entgegen.

Fazit

Nicht selten führen leichtfertige und irrige Vorstellungen über die Möglichkeiten der Verschönerung des menschlichen Körpers dazu, dass das tatsächliche hinter dem erwarteten Ergebnis zurückbleibt. Da die Vornahme von kosmetischen Korrekturmaßnahmen zumeist nicht medizinisch indiziert ist und es sich um sog. Wahleingriffe handelt, sind die Betroffenen von Fehlschlägen schnell geneigt, die Behandler zur Verantwortung zu ziehen –Anwaltskanzleien stellen sich auf das Schönheitsklientel ein. Dabei ist klar, dass das Ausbleiben des vereinbarten ästhetischen Erfolgs für sich alleine genommen noch keinen Behandlungsfehler begründet. Wird jedoch der zu erwartende Standard durch den Einsatz von nicht hinreichend qualifiziertem Personal unterschritten, ist im Schadenfall eine Haftung unausweichlich. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist daher – auch aus diesem Grund – als deutliche Erinnerung an den Arztvorbehalt bei invasiven Maßnahmen zu verstehen.

Autor:
Dipl.-Jur. Michael Schanz, Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen, Köln

Quelle: HDI MedLetter Ausgabe November 2013

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